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Mobbing beenden ohne Schuldzuweisung
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Mobbing beenden ohne Schuldzuweisung

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Anna ist schon morgens müde. Am Abend hat sie noch lange unter der Bettdecke in der Whats App-Gruppe ihrer Klasse Nachrichten gecheckt. Früh sieht sie nach, was in der Nacht dort so passiert ist. Sie hat schlecht geträumt, schon wieder. Keine Lust aufzustehen, Bauchweh beim Gedanken an die Schule. Am liebsten wär‘ sie gar nicht mehr da. Es hört einfach nicht auf: fiese Sprüche über ihre schiefe Nase, zu viel Hüftspeck, ihren unmöglichen Modegeschmack und dann das gemeine Bild von der Party. Wer das wohl online gestellt hat? Ob sie ihrer Mutter, wenn sie zum Wecken kommt, sagen soll, dass da auch steht: „Die geht doch auf den Strich“?

Es kann jeden treffen. Cybermobbing ist eine Herausforderung für Betroffene, Eltern und Schulen. Als Pfarrer an einer Schule habe ich oft damit zu tun gehabt. „Niemand soll sich an unserer Schule dauerhaft unwohl fühlen“, haben wir gesagt und uns auch mit der Schulleitung auf den Weg gemacht. Bei einer Fortbildung haben wir uns für eine Strategie entschieden, die Menschen nicht in Täter und Opfer einteilt und auf Schuldzuweisung verzichtet. Ich hab‘ erfahren: Das ist ein guter Weg, Mobbing zu beenden.

Bei Anna war das so: Sie hat sich bei uns Hilfe geholt und uns erzählt, was sie erleidet. Wir haben mit ihren Eltern gesprochen, uns ihr Ok geholt und dann in der Klasse eine Unterstützungsgruppe gebildet. Da hinein gehören auch ein paar, die vorher mitgemobbt haben. Wir haben besprochen, was passiert ist und klar gesagt, dass wir keine Form von Gemeinheit mehr dulden werden.

Was ist nötig, damit sich Anna wieder wohl fühlt und gerne zur Schule kommt? Wir haben konkrete Schritte vereinbart: Laura macht Screenshots von den schlimmsten Gemeinheiten in der WhatsApp-Gruppe. Jana sagt zu, das mit dem gemeinen Bild zu regeln. Jan und Michel sagen als erste: Wir verpflichten uns, damit aufzuhören.

Wir haben weiter mit allen Beteiligten gesprochen, bis alles wirklich vorbei war und erlebt: Es funktioniert, ganz ohne Schuldzuweisung und Strafe. Wenn Mobbing aufhört, profitieren alle Betroffenen. Es ist schön, Anna morgens wieder munter zu sehen.
 

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