Ihr Suchbegriff
Der Dichterpfarrer Ernesto Cardenal wird 90

Der Dichterpfarrer Ernesto Cardenal wird 90

Ein Beitrag von Frank Fornacon, Pastor evangelische Freikirche

Die Bücher des lateinamerikanischen Dichterpfarrers Ernesto Cardenal mag ich seit fast vier Jahrzehnten. Ich hatte sie zur Zeit der Friedensbewegung entdeckt, in der viele nach neuen Modellen für christliche Weltverantwortung suchten. Das gilt für mich bis heute. Nebenbei ist Cardenal auch noch einer der bedeutendsten Dichter Nicaraguas.

Als Ernesto Cardenal zu schreiben begann, litt Nicaragua unter einer brutalen Diktatur. Der Mann aus gutem Hause hatte zunächst Dichter werden wollen, ging dann aber in ein nordamerikanisches Kloster und studierte Theologie

Seine spirituellen Erfahrungen verdichtete er in den sogenannten lateinamerikanischen Psalmen. Das waren Lieder und Gedichte, die seinen Glauben verbinden mit dem, was er in der Gegenwart erfahren hat. So klingt seine Übertragung von Psalm 1 der Bibel:

„Selig der Mensch, der den Parolen der Partei nicht folgt

Und an ihren Versammlungen nicht teilnimmt,

der nicht mit Gangstern an einem Tisch sitzt

noch mit Generälen im Kriegsgericht.

Selig der Mensch, der seinem Bruder nicht nachspioniert

Und seine Schulkameraden nicht denunziert.

Selig der Mensch, der nicht liest, was die Börse berichtet,

und nicht zuhört, was der Werbefunk sagt,

der ihren Schlagworten misstraut.

Er wird sein wie ein Baum, gepflanzt an einer Quelle.“

Das ist einer von Cardenals Aufrufen zu mündigem Denken und zu menschlichem Handeln, zu Zivilcourage im Namen Gottes. Der Dichter interessiert sich nicht an erster Stelle für das Jenseits. Die gute Nachricht von Jesus muss sich hier und heute bewähren. Cardenal hat die ganze Welt im Blick und leidet mit allen, wo immer sie sind. Schließlich geht es dem Priester um die Solidarität mit den Armen.

Mit armen Leuten, die von einer großen Zukunft träumten, baute Cardenal die Kommunität von Solentiname auf. Auf einer abgeschiedenen Insel inmitten des Nicaraguasees sammelte er die Bauern um sich. Anstelle einer Predigt unterhielt er sich mit ihnen. Zunächst wurde eine Geschichte aus der Bibel vorgelesen, von denen, die überhaupt lesen konnten. Und dann besprach man Vers für Vers, was das Wort Gottes für heute bedeutet. Eine einfache Art, die Bibel zu lesen. Eine Weise, um sie für das Leben fruchtbar werden zu lassen. Cardenal notierte ihre Dialoge. Jesus hatte gesagt: „Selig sind die geistlich arm sind, denn ihrer ist das Himmelreich“. Dazu meinte eine alte Frau in Solentiname: „Ich glaube, das Reich Gottes ist die Liebe. Die Liebe hier in diesem Leben. Und der Himmel ist für die, die hier lieben, weil Gott die Liebe ist.“

Cardenal war nicht allen geheuer. Papst Johannes Paul II kritisierte ihn damals scharf, weil er sich öffentlich zum Marxismus bekannte. Als Papst, der sich selbst mit den Kommunisten Osteuropas herumschlagen musste, war ihm das suspekt. Ernesto Cardenal wurde von seinem Amt suspendiert.

Wie mag der heutige Papst Franziskus wohl über den suspendierten Dichterpriester denken? Nachdem Franziskus klipp und klar gesagt hat, dass seine Kirche eine Kirche für die Armen sei? Vielleicht gratuliert er ihm ja zum Geburtstag. Heute wird Ernesto Cardenal 90 Jahre alt.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren