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Nach Gerechtigkeit rufen
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Nach Gerechtigkeit rufen

Prof. Dr. Markus Tomberg
Ein Beitrag von Prof. Dr. Markus Tomberg, Professor für katholische Religionspädagogik, Fulda und Marburg
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Das war in Kirchenkreisen einmal ein beliebter Witz: Im Himmel wird der nächste Betriebsausflug geplant. Nicht nach Jerusalem, sagt Jesus – da ging’s mir an den Kragen. Nicht nach Nazareth, sagt Gott Vater, die Affäre mit Maria geht mir bis heute nach. Dann lass uns in die nächste Bischofsstadt fahren, so lautet der letzte Vorschlag. Ja, fein, sagt der Heilige Geist, da waren wir noch nie.

Es war ein beliebter Witz in Kirchenkreisen, ein kleiner Aufstand gegen die da oben in den bischöflichen Verwaltungen und, das wohl auch, gegen die Bischöfe. Ein Ventil und eine heimliche Selbstbestätigung. Die da oben, die kochen auch nur mit Wasser.

Die Zeit solcher Kirchenwitze geht ihrem Ende entgegen. Das heimelig-kirchliche Lebensgefühl, aus dem sie entstanden sind, gibt es nicht mehr.

Ganz unwitzige Geschichten über Bischofsstädte erzählen heute andere. Betroffene geistlicher und sexualisierter Gewalt erleben dort immer wieder und immer noch: Ihr Ruf nach Gehör und nach Gerechtigkeit, der verhallt. Selbst Bischöfe sagen es inzwischen ganz offen: Immer noch versagt die Kirche! Für viel zu viele Menschen ist die Kirche kein Ort von Glaubens-, sondern von Missbrauchserfahrungen.

Und immer noch fällt es vielen Kirchenmenschen nicht leicht, damit umzugehen. Dabei halten gerade die, die Veränderungen einfordern, die Botschaft Jesu wach. Sein Wort lebt bei denen, die für Gerechtigkeit eintreten. Die Enttäuschungen und Demütigung erfahren haben und trotzdem weitermachen. Die, auch wenn sie die verfasste Kirche vielleicht längst enttäuscht verlassen haben, sie immer wieder an ihren Auftrag erinnern. Die Aufklärung und Umkehr einfordern. Die aber immer noch erleben: diese Botschaft, die kommt viel zu selten an.

Da waren wir noch nie – der Lacher des alten Kirchenwitzes bleibt da im Hals stecken. In ihm steckt nämlich eine ganz aktuelle Wahrheit. Gottes Solidarität ist bei den Betroffenen. In ihren Klagen und Forderungen lebt die Hoffnung auf Gerechtigkeit.

Der alte Witz vom himmlischen Betriebsausflug hat sich überlebt. Seine Wahrheit ist aktueller denn je.

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