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Der lange Lauf zu Gott
Bild: skeeze auf pixabay

Der lange Lauf zu Gott

Rüdiger Kohl
Ein Beitrag von Rüdiger Kohl, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt-Bockenheim

Auch heute Morgen tut Frank Hofmann wieder das, was er jeden Morgen tut: Er läuft. Erst die dreihundert Meter bis zum Fluss seiner Heimatstadt, dann die Strecke am Fluss entlang. Es braucht einige Zeit, bis er richtig in Tritt ist, doch dann stellt sich diese wunderbare Leichtigkeit ein, die er so liebt. Auf die er sich jeden Morgen freut. Er erfährt, was viele Läufer mit ihm teilen. Wenn die gleichmäßige Bewegung eine Art Trance auslöst. Wenn das Gehirn anders durchblutet wird. Dann können sich hormonelle Effekte einstellen, die ihn in einen anderen Bewusstseinszustand versetzen. Dann fühlt er sich eins mit dem Weg, auf dem er läuft, eins mit der Welt. Gedanken kommen und gehen. Er trennt sich von dem, was ihn belastet. Ein Glückszustand. Es läuft einfach.

Frank Hofmann nennt das, was er tut, „spirituelles Laufen“. Er sagt: „Beim Laufen habe ich beten gelernt.“ Er hat bei sich entdeckt: Genau in diesem Zustand ist er offen für die Begegnung mit Gott. Früher hatte er nie das Gefühl, das Laufen mit Spiritualität oder Gott zu tun haben könne. Er war auch gar nicht religiös. Doch irgendwann brachen religiöse Fragen in ihm auf. Und er machte sich buchstäblich auf den Weg. Wollte die starken mentalen Kräfte nutzen, um bei Gott anzuklopfen. Und startete seinen langen Lauf zu Gott. So hat er das „spirituelle Laufen“ für sich entdeckt. Er sagt: „.Laufen macht offen für Gotteserfahrungen.“

Bespiele dafür entdeckte er in der Bibel. Der Prophet Elia zum Beispiel, aus dem Alten Testament. Als er einmal fliehen musste, rannte er viele Kilometer um sein Leben. Nach dieser riesigen körperlichen Anstrengung war er so sensibel, um Gott in einem Hauch wahrzunehmen. Er war in einen Zustand, in dem er Gott neu begegnen konnte (1. Könige 18,19). In dieser Geschichte entdeckte Frank Hofmann einen Wesenszug von Religion: Menschen werden von Gott bewegt und verändert – nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich.

Mittlerweile leitet Frank Hofmann andere Menschen an, in Bewegung zu kommen. Auch ältere, untrainierte, können in drei Monaten lernen, 30 Minuten lang zu laufen. Er hat sogar spirituelle Trainingspläne erstellt. Er empfiehlt, während des Laufens einen Vers aus der Bibel im Kopf kreisen zu lassen. Oder an Vorbilder zu denken, die das eigene Leben verändert haben. Menschen, die das spirituelle Laufen lernen möchten, müssen zwei Voraussetzungen mitbringen: den Willen, andere Erfahrungen zu machen. Und das Vertrauen, dass Gott längst beschlossen hat, ihnen zu begegnen.

Klar: Gott zu begegnen kann man nicht einfach herstellen. Und Dauerlaufen ist nicht jedermanns Sache. Doch ich finde: Es kann ja auch eine andere körperliche Betätigung sein. Sich bewegen zu lassen, dabei neue Kräfte zu spüren, den Kopf frei zu bekommen und sich dabei von dem zu trennen, was belastet: Da kann einem Gott begegnen.

Auf seiner täglichen Strecke genießt Frank Hofmann weiter das Laufen am Fluss. Er dankt Gott für den beginnenden Tag, für die leichten Wellen, für das Licht, das durch die Baumkronen dringt. Er fühlt sich beinahe wie im Paradies.

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