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Den Glauben an das Gute nicht verlieren
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Den Glauben an das Gute nicht verlieren

Rüdiger Kohl
Ein Beitrag von Rüdiger Kohl, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt-Bockenheim

Manchmal kann man den Glauben man das Gute im Menschen verlieren. Zum Beispiel, wenn man sich an den Tod von Amadeu Antonio erinnert. Fünfundzwanzig Jahre ist es her, dass der Achtundzwanzigjährige ermordet wurde. In der Nacht zum 25. November 1990 zog eine Gruppe von rechtsextremen Jugendlichen mit Baseballschlägern durch Eberswalde in Brandenburg. Sie wollten Jagd auf Menschen machen, die anders aussehen. In einer Gaststätte trafen sie auf drei Afrikaner, die sie verprügelten. Zwei von ihnen konnten schwer verletzt flüchten. Amadeu Antonio erwachte nicht mehr aus dem Koma. Er starb zwei Wochen später.

Amadeu Antonio war aus Angola in die damalige DDR gekommen und lebte in Brandenburg als Vertragsarbeiter. Dort wollte er bleiben. Seine deutsche Freundin war schwanger. Er war eines der ersten Todesopfer rassistischer Gewalt nach der Vereinigung Deutschlands.

Die Täter kamen vor Gericht. Doch wer die tödlichen Schläge ausführte, war nicht nachzuweisen. Fünf der jugendlichen Täter wurden im September 1992 vom Bezirksgericht Frankfurt/Oder zu Bewährungsstrafen oder maximal vierjährigen Haftstrafen verurteilt.

Dieses Verbrechen erscheint sinnlos. Gerade deshalb denke ich an Worte von Dietrich Bonhoeffer, Pfarrer und Widerstandskämpfer gegen Hitler. Er lebte in einer Zeit, in der viele Menschen den Glauben an das Gute verloren. Er selbst wurde hingerichtet. Er schrieb: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.“ So weit Bonhoeffer.

Genau das ist nach dem Tod von Amadeu Antonio passiert: Viele haben Kraft zum Widerstand gefunden. Sie wollten dieses Verbrechen nicht einfach hinnehmen. Sie gründeten die Amadeu-Antonio-Stiftung, die sein Andenken bewahren will. In diesem Jahr verleiht sie zum ersten Mal den Amadeu-Antonio-Preis. Er geht an Projekte, die sich kreativ mit der Überwindung von Rassismus beschäftigen und Zivilcourage fördern. Nominiert ist zum Beispiel ein Theaterensemble, das die Lebenswege von Flüchtlingen auf die Bühne bringt. Oder Musiker aus Dresden, die mit ihrer Blasmusik auf Demonstrationen für Weltoffenheit und gegen Fremdenfeindlichkeit aufspielen.

Auch in Eberswalde wurde lange diskutiert, wie Amadeu Antonio gedacht werden kann. Jetzt haben Eberswalder Bürger und ihre Stadtverordneten das neue Bürgerbildungszentrum nach Amadeu Antonio benannt. Es ist die Heimat von Vereinen und Organisationen, die sich einsetzen für ein offenes und tolerantes Miteinander in ihrer Stadt.

Fünfundzwanzig Jahre nach dem Tod von Amadeu Antonio ist noch immer viel zu tun. Das Glaubensbekenntnis von Dietrich Bonhoeffer macht Mut. Es braucht Menschen, die sich an Böses erinnern und an das Gute glauben. Die für eine menschenfreundliche Gesellschaft arbeiten. So kann auch aus dem Bösesten etwas Gutes entstehen. Ich hoffe mit Dietrich Bonhoeffer: In solch einem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.

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