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Die Krise nutzen

Die Krise nutzen

Andrea Maschke
Ein Beitrag von Andrea Maschke, Katholische Pastoralreferentin in Bad Homburg / Friedrichsdorf
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Das Wort Krise kommt aus dem Griechischen. Krio heißt entscheiden. Mein Griechischlehrer im Gymnasium hat uns damals einen Witz erzählt, damit wir uns dieses wichtige Wort gut einprägen können.

Ein Kind fragt seine Mutter: „Mama, was ist eine Krise?“ „Nun“, sagt sie, „eine Krise, das ist eine Entscheidung. Als kleines Kind warst du sehr krank. Wir wussten damals nicht, ob du überlebst oder stirbst. Wir haben uns große Sorgen gemacht. Das war eine richtige Krise.“ Da fragt der Junge: „Und wie hat es sich damals entschieden?“

Schwierige Entscheidungen und Weichenstellungen

Das Wort Krise ist gerade in aller Munde: Corona-Krise. Und tatsächlich entscheidet sich gerade vieles: Für manche geht es tatsächlich um Tod und Leben, für uns alle darum, was uns der eigene und der fremde Schutz an Einschränkungen wert ist. Wir fürchten uns davor, dass das Gesundheitswesen kollabiert und dann ganz heftige Entscheidungen getroffen werden müssen. Und für manche entscheidet sich in den nächsten Wochen und Monate, ob und wie das Geschäft oder der Betrieb die Brachzeit übersteht. Gerade Selbstständige, Künstlerinnen oder auch Gästeführer trifft das hart. Viele Beziehungen und Familien werden gerade auf eine schwierige Probe gestellt.

Fahrlässig, diese Krise ungenutzt verstreichen zu lassen

In einem Radiobeitrag habe ich vor wenigen Tagen einen beeindruckenden Satz gehört: „Es wäre doch fahrlässig, so eine Krise ungenutzt verstreichen zu lassen.“ Leider weiß ich nicht mehr, wer das so knackig formuliert hat. „Es wäre doch fahrlässig, so eine Krise ungenutzt verstreichen zu lassen“. Genau betrachtet ist das ein sehr ermutigender Satz: Wir Menschen sind so einer Krise nicht einfach nur ausgeliefert, wir können was draus machen. Wir sind fähig, etwas, und im besten Fall uns selbst, zu verändern!

Dinge in Frage stellen und zum Guten ändern

Klar, keiner wünscht sich eine Krise. Aber wenn sie da ist, nutzt es nicht, sie zu ignorieren oder gar zu vertuschen und so zu machen, als wäre alles in Ordnung. Im Gegenteil, dann wächst und verschlimmert  sie sich.

Und ja, es gibt Momente, da müssen Entscheidungen von einer Sekunde auf die nächste gefällt werden. Oft aber haben wir die Chance, mit ein wenig Abstand auf eine Entscheidungssituation zu reagieren. Eine Nacht drüber schlafen, sagen wir dann, oder mal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen, mal drüber meditieren. Manche Menschen drehen erstmal eine Runde an der frischen Luft.

Herausfinden, was dem Leben dient

Der heilige Ignatius, ein Spezialist in Sachen Entscheidungen, spricht da von der sogenannten „Unterscheidung der Geister“. In seinen geistlichen Übungen leitet er dazu an, zu unterscheiden, was dem Leben dient und was wichtig ist und was nicht.

Für alle, die wie ich, gerade nicht ums Überleben kämpfen, sondern den Kopf und das Herz ein wenig frei bekommen, kann das auch eine große Chance sein. Zugegeben, herauszufinden, was dem Leben dient, das hört sich ziemlich anspruchsvoll an, eher wie eine Lebensaufgabe.

Wir sitzen alle im gleichen Boot - weltweit

Aber vielleicht ist gerade jetzt ja der richtige Zeitpunkt für ein paar Weichenstellungen? Jetzt, da ich meine Nachbarn gerade besser kennen lerne, jetzt, da ich merke, dass ich viele Dinge gar nicht wirklich brauche, meine Freundschaften und Beziehungen aber schon. Jetzt, da mir klar wird: Wir sitzen weltweit in einem Boot, und das wohl nicht nur im Kampf gegen das Corona-Virus, sondern auch in dem gegen den Klimawandel und die Armut. Jetzt, da ich mich an Bildern von Großstädten mit weniger Smog freue und mehr spende als sonst. Erkenntnisreiche Zeiten! Ich bin selbst gespannt, zu welchen Entscheidungen ich noch komme!

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