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Nächstenliebe
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Nächstenliebe

Susanna Petig
Ein Beitrag von Susanna Petig, Evangelische Pfarrerin, Kirchspiel Gensungen, Felsberg /Eder
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„Das ist ganz simpel, weißt du“, sagt der junge Mann. „Du musst darauf achten, mit wem du dich abgibst. Umgib dich nur mit Menschen, die dich weiterbringen, die dir nützen. Die anderen lass am besten links liegen. Die kosten dir nur Zeit und Energie!“
„Also, besonders christlich ist das nicht“, wende ich ein. „Da heißt es doch eher: Einer trage des anderen Last.“
„Mag schon sein“, entgegnet er. „Aber das ist doch heute out, ohne Bedeutung.“
„Meinst du wirklich?“, frage ich.
„Wieso willst du dich belasten mit den Problemen anderer?“, gibt er zurück.
„Es ist doch dein Leben. Warum soll man es sich schwerer machen als nötig?“
„Hm, ich glaube, so einfach ist das nicht“, sage ich.
„Hast du denn noch nie Kummer gehabt und warst froh, als dir jemand geholfen hat?“
„Naja, schon“, räumt er ein, „dafür umgebe ich mich ja dann auch mit Menschen, die mir weiterhelfen können und nützen. Wie gesagt …“
„Wenn die aber auch so denken wie du, werden sie sich nicht unbedingt mit dir umgeben wollen“, gebe ich zu bedenken. „Warum sollen sie sich denn ihr Leben schwerer machen als nötig?“
Er grinst. „Stimmt auch. – Aber meistens kann man sich ja gegenseitig weiterhelfen, der eine jetzt und der andere dann später mal.“
„Genau.“ Ich grinse auch. „Das verstehe ich zum Beispiel darunter, wenn die Bibel sagt „Einer trage des anderen Last“.
Er runzelt die Stirn. „Aber es gibt doch auch Menschen, die eigentlich nur Kraft und Zeit kosten. Von denen du selber nichts zurückkriegst. Dann ist es für dich einfach nur schwerer als es sein müsste.“
„Trotzdem“, sage ich, „ich finde es wichtig, auch dann nicht einfach zu kneifen. Wenn jemand in Not ist, kann ich nicht einfach nur wegsehen. Klar, ich kann nicht die ganze Welt retten. Aber da, wo ich’s kann, will ich helfen. Dann geht’s einem anderen besser und mir auch. - Und manchmal wird man auch überrascht, macht neue Erfahrungen. Und wächst zusammen mit dem anderen an den Lasten. – Davon abgesehen: Ich erlebe es als ein gutes Gefühl, wenn ich mir sagen kann: Du hast etwas Gutes und Hilfreiches gemacht. Es geht einem anderen besser, weil du da warst.“
„Hm“, sagt er. „Wie war der Satz aus der Bibel nochmal -!?“
„Paulus schreibt: Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. Das Gesetz der Nächstenliebe nämlich.“
„Ich denk drüber nach“, sagt er. „Vielleicht ist das doch nicht so out, wie ich dachte.“

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