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Modern malen wie einst
Bild: pixabay

Modern malen wie einst

Dr. Paul Lang
Ein Beitrag von Dr. Paul Lang, Diakon und Lehrer für Latein, Musik und Religion in Amöneburg

Zu Besuch in Friedberg in Bayern. Die Pallottiner haben hier ein großes Ordenshaus. Ein guter Bekannter führt mich durch die gerade renovierte Anlage. Mit einem verräterischen Lächeln öffnet er schließlich im Erdgeschoss verheißungsvoll die Tür zu einem großen Gruppenraum. Wie zufällig führt er mich zu einem Ölgemälde. Unschwer erkenne ich Vinzenz Pallotti, den Ordensgründer auf dem Bild. Die dunklen, wertvollen Farben, Goldbrokat im Hintergrund, ein fast nur angedeuteter Heiligenschein. Italienische Renaissance, keine Frage.

"Nein, ist es nicht!", lacht mein Begleiter, als hätte er meine Gedanken gelesen. "Das ist ein zeitgenössisches Gemälde. Michael Triegel ist der Maler. Nie gehört? Der hat sich inzwischen einen Ruf gemacht." "Mit Maltechniken vergangener Zeiten?" frage ich. "Ah", schüttelt mein Gegenüber den Kopf, "schau genau hin. Das ist etwas ganz anderes." Er hat Recht. Beim näheren Betrachten entdecke ich originelle Details; filigrane Gesichtszüge eines alten Mannes, keinen schablonenhaften Heiligen, keine Kopie. Das ist ein Original. Zu sehen ist der alte Mann, Pallotti, tief versunken in die Betrachtung eines Kruzifixes, eines Kreuzes. Oder mehr versunken sein in sich selbst? Auf seltsame Weise fremd und doch anziehend entdecke ich schließlich die Hände Pallottis. Sie bilden die tatsächliche und ideelle Mitte des Bildes. Ein Rosenkranz, die katholische Gebetsschnur, ist um sie geschlungen. Irgendwie natürlich und doch ungewöhnlich. Das gleiche gilt auch für die Hände: Sie sind zwar ineinander gelegt wie beim Gebet. Gleichzeitig scheinen sie auf den zweiten Blick aber doch eher nur aneinander gelehnt.

Zuhause durchforste ich das Internet nach dem Maler. "Ich will mit meinen Bildern nicht Antworten geben, sondern Fragen stellen", sagt Michael Triegel in einem Interview. Und es gehe ihm nicht darum, als Künstler im Vordergrund zu stehen. "Ich will dem Betrachter einen direkten, eigenen Zugang zum Dargestellten vermitteln." Ein Bewohner von Athen sei in der Antike ja schließlich auch auf die Akropolis gepilgert, um vor das Standbild der Athene zu treten, nicht um ein Kunstwerk von Phidias, dem legendären Bildhauer zu bestaunen. Hinter dem Werk zurücktreten: Das ist mir sympathisch, wenn ein Künstler sich ganz in sein Tun versenkt. Ein Bild kann Dekoration sein, es kann Überzeugungen darstellen oder provozieren. Es kann Freude vermitteln. Für manchen ist es Geldanlage. Ein Bild aber, das einen Dialog eröffnet, das ist etwas Besonderes. Triegels Bild bei den Pallottinern in Friedberg schafft das - jedenfalls bei mir.

Heute, am 7. Oktober, erinnert der Kalender der katholischen Kirche an den Rosenkranz. Triegels Bild erläutert auf anschauliche Weise, was der Rosenkranz ist und tut. Der Rosenkranz ist Rahmen, um die Hände gelegt. In seiner Umhüllung kann sich Meditation entfalten - der Blick nach außen zu einem Blick nach innen werden. Er kann also dasselbe leisten wie ein Bild: Er kann einen Dialog eröffnen. Triegels Pallotti ist für mich ein wichtiges Bild geworden.

 

 

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