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Das Projekt Annie
GettyImages/Spiderplay

Das Projekt Annie

Andrea Seeger
Ein Beitrag von Andrea Seeger, Evangelische Theologin
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Bald jährt sich der Tag: Seit letztem März sitze ich im Homeoffice. Urlaube, Feste, Vergnügungen sind abgesagt. Macht nix, Hauptsache Bewegung! Dafür sorgt schon unser Hund Johnny, drei Mal am Tag raus bei Wind und Wetter. Er entpuppt sich als Lebensversicherung. Doch dann stirbt Johnny – im Herbst, an einem Tumor.

Corona-Blues ohne Hund

Es folgt der Corona-Blues. Trübe Gedanken, keinen Schritt vor die Tür, komplette Lustlosigkeit. Ein neuer Hund muss her. Einer, der raus sollte aus seinem tristen Dasein. Bald ist er beziehungsweise sie gefunden: eine junge Pudelmix-Dame aus dem Tierschutz in Ungarn.

Annie ist völlig verängstigt

Annie kommt im November zu uns: ein völlig verängstigtes Tier. Sie lässt sich nicht anfassen, flieht in die äußerste Ecke des Zimmers. Draußen im Garten windet sie sich aus dem Halsband, findet eine Lücke im Zaun und ist weg. Nach einem Tag erscheint sie auf unserer Terrasse, traut sich aber nicht ins Haus, liegt halb draußen, halb drinnen. Wir schlafen abwechselnd auf der Couch im Wohnzimmer, um Annie zu signalisieren: Wir sind da.

Großer Leckerli-Verbrauch

Dann lege ich eine Spur von Hühnerbrustwürfelchen bis in die Küche. Das ist so verführerisch, dass sich der Hund immer weiter vorschleckt. Mein Mann schließt die Terrassentür, Annie ist drin. Und jetzt? Das Geschirr lässt sie sich nicht umlegen. Tütenladungen von Leckerlis wandern in ihren Bauch. Drei Tage später ist es so weit: das Sicherheitsgeschirr sitzt. Unser Revier für die nächsten Wochen: der Garten. Wir drehen Runde um Runde auf dem Rasen. Ich lerne, das Wort Geduld mit Leben zu füllen.

Genug Vertrauen fürs Gassi gehen

Inzwischen gehen wir richtig Gassi, ziehen immer weitere Kreise. Allerdings hat Annie vor allem Angst. Fahrrad, Auto, S-Bahn, andere Menschen, Regenschirm – alles gefährlich. »Das wird schon«, sagen die alle, die etwas davon verstehen. Deutliches Zeichen: Sie liegt immer eng bei uns, lässt sich ausgiebig streicheln, freut sich morgens wie Bolle, wenn sie uns erspäht.

Hund ist zuversichtlich. Mensch auch.

Mein Projekt für 2021: Annie soll ein Hund werden mit einem gesunden Selbstbewusstsein, freundlich zu allen und vor allem zu sich selbst. Das richtet auch mich auf. Ich bin zuversichtlich: Das schaffen wir! 

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