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Politik und Glaube
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Politik und Glaube

Dr. Klaus Dorn
Ein Beitrag von Dr. Klaus Dorn, em. Dozent am Kath.-Theol. Seminar, Marburg
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Die Kirche solle sich aus der Politik heraushalten. Das sei nicht ihre Aufgabe. Diese Sätze habe ich schon mehrfach gelesen. Was damit gemeint sein mag, weiß ich nicht so ganz genau, aber ich kann es vermuten: Die Aufgabe der Kirche bestehe darin, Gottesdienste und Sakramente anzubieten, speziell die Eucharistiefeier am Sonntag. Sie solle an den wichtigen Stationen des Lebens für die feierliche Umrahmung sorgen, also bei Namensgebung, Übergang ins Erwachsenenalter, Eheschließung und Begräbnis. Bei der Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer habe die Kirche aber nichts zu suchen. Da hört dann die Nächstenliebe auf, die – so einige dieser Leute – sowieso nur für Mitchristen gelte. Politik sei Staatsangelegenheit, Religion Kirchenangelegenheit. Und zwischen beiden gelte es sauber zu trennen.

Blickt man jedoch in die Kirchengeschichte, zeigt sich ein völlig anderes Bild. Der Kaiser verstand sich zwar als Schutzherr der Kirche, aber ohne Kaiserkrönung durch den Papst gab es keinen Kaiser. Der kirchlichen Macht stand nach den Vorstellungen dieser Zeit ein höherer Rang zu als der weltlichen. Und damit stand der Papst über dem Kaiser – auch weltlich. Er nötigte beispielsweise den deutschen König Heinrich zu dem sprichwörtlichen Gang nach Canossa. Wenig später rief Bernhard von Clervaux im Namen des Papstes zu den ganz und gar nicht religiösen Kreuzzügen auf. Die Kirche war über die Jahrhunderte hinweg immer wieder in politische Auseinandersetzungen verstrickt.

Bei Jesus, so manche Zeitgenossen, sei das alles anders gewesen. Er habe sich ausschließlich um das Verhältnis zwischen Mensch und Gott gekümmert und das Reich Gottes verkündet. Aber: Stimmt das denn? War Jesus wirklich unpolitisch?

Der Anbruch des Reiches Gottes im Sinne der absoluten Liebe, von dem Jesus überzeugt war, klang in den Ohren der Herrschenden wie ein Staatsstreich. Die Gleichnisse vom selbstständigen Wachsen des Gottesreiches waren eine Kampfansage an die Obrigkeit. Sie machten deutlich, dass dieses Reich durch nichts aufzuhalten ist. Indem Jesus von der Macht Gottes sprach, wurde den Gegnern ihre eigene Ohnmacht vor Augen geführt. Nein, Religion, auch die christliche, kann nicht unpolitisch sein. Sobald ethische Fragen eine Rolle spielen, darf sie das auch gar nicht. Vor Jesus waren schon die alttestamentlichen Propheten äußerst politisch: Sie klagten Könige und Beamte an, weil das Volk verarmte, sie wandten sich gegen Aufrüstung und Krieg. Niemand kann nicht-politisch sein, sagte einst mein Professor für christliche Soziallehre, und dies gilt heute im Zeitalter neuer Völkerwanderungen und Genozide in ganz besonderem Maße. Ich bin davon überzeugt, dass die Botschaft Jesu zu allen Zeiten höchst politisch war. Und das gilt bis zum heutigen Tag.

 

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