Am 26. Mai 2019 findet die Wahl des Europäischen Parlaments statt. Was verbinden junge Menschen mit Europa? Wir haben unsere YOU FM-Autorin Vanessa Verena Wahlig gefragt. Sie studiert und lebt zurzeit in Italien. Für sie ist die EU nicht abstrakt, sondern ihre Lebenswirklichkeit. Hier erzählt Vanessa Verena Wahlig, was für sie "europäisch sein" bedeutet und was sie sich für Europa wünscht.
Warum wählen?
„Wer die Wahl hat, hat die Qual!“ und „Wahltag ist Zahltag!“ lauten zwei deutsche Sprichworte. Gerade positiv wirkt dabei Wählen nicht. Auch Otto von Bismarcks vielzitierter Spruch „Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd“ rückt diesen urdemokratischen Akt in schlechtes Licht. Warum also Wählen? Und dann auch noch ausgerechnet für Europa mit einem Parlament, das manchmal so weit weg erscheint, als müsse man als normaler Bürger eine Reise zum Mond unternehmen, um dem Ganzen näher zu kommen.
Was meine Oma staunen lässt
Ich kann diesmal aus vollem Herzen sagen: „Ich wähle für Europa!“ Warum? Weil für mich Europa kein Konstrukt aus Büchern ist, sondern meine Lebenswirklichkeit. Gerade lebe ich für einige Zeit in Italien und studiere hier dank dem europäischen Studienaustauschprogramm ERASMUS Politikwissenschaft.
Ohne groß nachdenken zu müssen, habe ich Anfang Oktober letzten Jahres meine Koffer gepackt und mich in mein persönliches Abenteuer gestürzt. Und das ohne Sorgen um Versicherungen, Visa, Wechselwährung oder Studiengebühren. Denn Mama EU hat sich bereits um alles gekümmert.
Ich habe die Chance, in eine andere Kultur zu blicken. Eine Sprache zu lernen, die nicht meine Muttersprache ist, in der ich mich aber trotzdem zu Hause fühle. Ich schmunzle über kulturelle Unterschiede, habe auch schon manche Träne verdrückt, aber ich darf Italien mit all meinen Sinnen frei und offen erleben. Was für mich selbstverständlich ist, lässt meine 86-jährige Oma staunen.
Wenn ich an Europa denke
Europa ist zu meiner Heimat geworden. Dabei habe ich aber nicht meine deutsche Identität verloren, sondern eine weitere dazugewonnen. Die europäische! Europäisch sein bedeutet für mich, ohne Grenzen zu leben, zu lieben und Freundschaften zu schließen.
Wenn ich an Europa denke, dann denke ich an bestimmte Menschen. Ich denke an Inneke aus Belgien, mit der ich in Italien zusammengelebt habe. Ich denke an Margeritha aus Italien, mit der ich bei Kaffee und Kuchen über die Grammatik unserer Muttersprachen philosophiert habe. Ich denke an Filomena, Elena, Valentina oder Greta, die mir bei meinen Aufenthalten im Ausland immer ein Stück Zuhause geschenkt haben. Das ist meine Generation und darauf bin ich so unendlich stolz.
Botschaft an meine Generation
An meine Generation habe ich deshalb die Botschaft: Ihr wählt nicht für DIE in Straßburg, ihr wählt für euch! Und: Auch ihr könnt stolz sein. Darauf, dass wir in den letzten 70 Jahren Frieden erleben durften und wir unsere Demokratie bei der Wahl mitbestimmen können. Straßburg und Brüssel mögen manchmal weit weg erscheinen. Aber die Entscheidungen, die dort getroffen werden, sind mitten in unserer Gesellschaft, in unserer europäischen Gesellschaft zu spüren.
Einfach ins Auto steigen und ohne Passkontrolle nach Frankreich fahren. Im Internet Produkte aus Spanien bestellen mit dem Wissen, dass ich als Verbraucherin auch bei diesem Geschäft geschützt bin. Und: Einige der Fahrradwege, auf denen ich am Wochenende gerne fahre, wurden auch mit Fördergeldern der EU bezahlt.
Was für eine EU ich mir wünsche
Deshalb, die EU ist nicht nur meine Lebenswirklichkeit, sondern unsere. Wer wählen geht, entscheidet mit, wie die EU in Zukunft aussieht. Ich wünsche mir weiterhin eine freie und offene EU. Mit einer starken Demokratie, Freizügigkeit und einer Wirtschaft, die auch im Wettbewerb mit China und den USA mithalten kann. Die EU ist ein großes Projekt, an dem alle mitwirken können, aber auch müssen. Zusammen kann man nämlich mehr erreichen. Viva l‘Europa!
Unser YOU FM-Autor Matthias Alexander Schmidt macht sich ebenfalls Gedanken darüber, was Europa für ihn ist. Sein Plädoyer für die Freiheiten, die die EU ermöglicht, lesen Sie hier.
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