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Gier und Neugier Hand in Hand

Gier und Neugier Hand in Hand

Dr. Joachim Schmidt
Ein Beitrag von Dr. Joachim Schmidt, Evangelischer Pfarrer, Darmstadt

Jede Woche wird die Jagd neu eröffnet. Die Schnäppchenjagd. Schon Anfang April hagelt es Sonderangebote bei Gartenmöbeln, als ob Sommerschlussverkauf wäre. Überhaupt liefern die knallbunten Werbeblätter, die einem ständig packenweise ins Haus flattern, jede Menge sensationelle Angebote, meist noch mit fetten Prozentan-gaben. Man kommt ja da aus dem Sparen gar nicht mehr raus.

Ach: Prozente wovon eigentlich? Von Mondpreisen, natürlich. Was das ist, das weiß jeder: Unverbindliche hohe Preisempfehlungen, an die sich kein Mensch hält. Von denen kann der Handel satte Prozente abziehen und verdient immer noch genug. Aber uns erzählt er treuherzig was von Schnäppchen. Und jedes Mal frage ich mich neu, ob die uns wirklich für so dämlich halten.

Aber natürlich sind die Angebote auch verlockend. Deshalb erwische ich mich meistens bei dem Gedanken: Mal schauen, wo die wirklichen Schnäppchen sind, im endlosen Meer der Prozente. Und schon hat es funktioniert, bin ich auch wieder drin, im raffinierten Spiel mit der Neugier.

Weil da im Hintergrund meines Kopfes so ein gieriger kleiner Kerl sitzt, der Sorge hat, man könne etwas ganz Wunderbares verpassen. Neugier und Gier sind Ge-schwister, und sie kriegen beide den Hals nicht voll. Schon verrückt: Im Grunde ge-nommen brauche ich keine Schnäppchen, und die allermeisten Menschen in unse-rem Lande brauchen sie auch nicht wirklich. Aber alle gieren danach, als ob morgen eine Hungersnot käme.

Und weil das so ist, beginnt das Spiel millionenfach jede Woche von vorn. Mit Mondpreisen und Prozenten, bunt und im ersten Moment aufregend und am Ende fast immer enttäuschend. Was man dagegen tun kann? Vielleicht die bunten Blätter einfach ungelesen in die Tonne werfen. Wäre ein Anfang.

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