hr2 ZUSPRUCH
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Baumgarten, Eva-Maria

Eine Sendung von

Katholische Gemeindereferentin im PV St. Michael Hohe Rhön

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Stürmische Zeiten

Es gibt sie, die Zeiten, in denen man meint, dass einem ein heftiger Wind um die Nase weht. Zeiten, in denen man für seine Meinung, seine Position, seine Arbeit oder Lebenseinstellung viel Gegenwind erfährt. Ich weiß nicht, ob man sich da jemals so richtig daran gewöhnt. Vielleicht ist es nur manchmal so, dass man den Sturm besser aushält. Als Mitarbeiterin der Katholischen Kirche musste ich in den vergangenen Jahren lernen, mit vielen Stürmen umzugehen, wenngleich ich so manches Mal dachte, dass es wohl leichter auszuhalten wäre, wenn ich dem Sturm den Rücken zukehre und einfach „mein Ding“ mache. So oder so, vor ihm wegrennen bringt nichts, ihn ignorieren auch nicht.

In stürmischen Zeiten leben und handeln

Die Jünger Jesu erleben ebenso stürmische Zeiten, bis hin zu einer stürmischen Nacht, die sie an den Rand der Verzweiflung bringt. Sie sind dabei mit ihrem Boot mitten auf dem See Genezareth. Kein Ufer in der Nähe, stattdessen peitschen die Fallwinde den See auf, Wellen schlagen ins Boot und der Gegenwind wirft das Schifflein hin und her. Jesus ist nicht mit ihnen im Boot, sondern kommt ihnen auf dem stürmischen See übers Wasser laufend entgegen. Das ist doch unmöglich. Keiner kann übers Wasser gehen. Für die Jünger ist es wahrscheinlicher, dass da ein Gespenst übers Wasser geht, aber doch nicht Jesus selbst. Angst macht sich breit. Doch dann vernehmen die Jünger Jesu Stimme, der ihnen zusagt: „Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht!“ (Mt 14,27) Jetzt scheint die Szene wirklich skurril zu werden, denn Petrus ergreift vollmundig das Wort und sagt: „Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme!“ (Mt 14,28). Tatsächlich. Jesus sagt: Komm! Und Petrus steigt aus dem Boot und wagt sich aufs Wasser.

Nicht zweifeln – glauben

Erst als er anfängt, seinen Fokus auf den stürmischen See und den Wind zu lenken, bekommt er es mit der Angst zu tun und geht unter. „Herr, rette mich!“ (Mt 14,30) ist sein verzweifelter Ruf nach Jesus. Dieser lässt ihn nicht untergehen, sondern streckt sofort seine Hand aus und zieht ihn aus dem Wasser. Aber Jesus lässt es nicht unkommentiert: „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ (Mt 14,31) Als Jesus endlich mit ins Boot steigt, legt sich der Wind.

Manch einer mag vielleicht denken: Schöne Geschichte, aber total unrealistisch! Ich persönlich mag diese Erzählung sehr und kann Petrus so gut verstehen. Es gibt auch in meinem Leben Momente, in denen ich mir total sicher bin, dass ich Unmögliches schaffen kann. Da ist mein Gottvertrauen so groß, dass ich Aufgaben übernehme, vor denen ich bisher zurückgeschreckt bin. Das sind die Momente, in denen ich mich getragen und geliebt weiß – von Gott und meinen Mitmenschen. Doch dann macht sich manchmal ein kleiner Zweifel breit: „Kann ich das überhaupt?“ - „Was ist, wenn jemand anderes es besser kann?“ - „Ob die Leute mögen, was ich mache?“ Ich gerate ins Straucheln, und es fühlt sich an, als würde sich der eben noch feste Grund, auf dem ich stehe, in die Wasseroberfläche eines stürmischen Sees verwandeln. Vertrauen geht verloren.

Gott gibt Vertrauen auch im stärksten Gegenwind

Mir tut es gut, meinen Fokus dann wieder neu auszurichten und auf Jesus zu lenken. Manchmal geschieht das innerlich, indem ich mir sage: „Jesus, du bist da. Steig in mein Lebensboot!“ Ein anderes Mal richte ich meinen Blick bewusst auf ein Kreuz, lass mich von Jesus anschauen und höre, wie er mir sagt: „Komm! Hab Vertrauen; ich bin es!“ Das macht mir Mut, und für heute will ich mich den kleinen oder größeren Stürmen stellen, denn ich vertraue darauf: Jesus kommt mir gerade im Gegenwind entgegen.