Gesunde Worte
Die meisten Menschen haben ein gutes Gedächtnis für Worte und Sätze, die ihnen mal gesagt worden sind. Das reicht von „Du bist ein Schatz“ bis „Das habe ich Dir doch schon hundertmal gesagt“ – gute wie belastende Worte brennen sich regelrecht ins Herz und begleiten eine Person ihr ganzes Leben. Da könnte vermutlich jede und jeder einige aufzählen.
Stärkende Worte für das ganze Leben
Hier und heute soll es um gute und stärkende Worte gehen, die vielleicht ein Leben lang wirken. Meine Oma fällt mir da zuerst ein. Sie kannte eine Menge schöner Sinnsprüche, und sie kannte Glaubensworte: Mutmach-Sätze über Gott - aus Kirchenliedern, Gedichten, aus der Bibel. Was sich eben im Lauf ihres langen Lebens so angesammelt hatte.
Diese Sätze und Worte waren wie ein Vorrat, aus dem sie schöpfen konnte, auch dann, wenn es ihr mal nicht so gut ging. Nicht immer wollten wir Enkelkinder das hören. Wenn man jung ist, nervt es manchmal, wenn Ältere Weisheiten von sich geben.
Aber heute bin ich selbst Oma, denke ab und zu an die Lebensklugheit meiner Großmutter und danke ihr nachträglich, dass sie mich daran hat teilhaben lassen. Den einen oder anderen ihrer Lebenssätze habe ich noch im Ohr. Und die, die absolut nicht mehr taugen, habe ich aussortiert. Kann sein, dass auch meine Enkelkinder sich später an einige Sätze ihrer Oma erinnern.
Wichtige Sätze finde ich auch in der Bibel
Sätze, die für mich wichtig geworden sind, finde ich auch in der Bibel. Und am heutigen Sonntag in den Lesungen für die katholischen Gottesdienste. Da erinnert der Briefschreiber einen jungen Mann namens Timotheus daran, nicht zu vergessen, was er ihm beigebracht hat über den Glauben, und schreibt: „Als Vorbild gesunder Worte halte fest, was du von mir gehört hast in Glaube und Liebe in Christus Jesus!“ (2 Tim 1, 13)
Musik 1: Hans-Günter Brodmann (*1955): Turmalin (Hans-Günter Brodmann: Musica Sacra – Percussion Fantasies) [3 | 2:48]
Timotheus war Schüler und Stellvertreter von Paulus
Dieser junge Mann namens Timotheus, von dem heute in den Lesungen der katholischen Gottesdienste gesprochen wird, war ein Schüler und Mitarbeiter des Apostels Paulus, und später so etwas wie sein Stellvertreter vor Ort. Denn Paulus reiste jahrelang dauernd herum. Vor allem durch die heutige Türkei und Griechenland.
Gründung christlicher Gemeinden
Dort gründete er viele christliche Gemeinden. Und das ging immer so: Er blieb einige Zeit an einem Ort, hat sich Arbeit gesucht, die Leute dort kennengelernt und ihnen erzählt von seinem Glauben und seine Liebe in Christus Jesus. Er hat versucht, möglichst viele mit dem Glauben anzustecken. An manchen Orten haben sich dann christliche Gemeinschaften gebildet.
Wenn er lange genug geblieben war und hoffen konnte, dass die neue Gemeinde stabil ist, reiste er weiter. Nicht immer hatte er Glück. Er ist bei diesem abenteuerlichen Leben auch verhaftet, gefoltert oder auf andere Weise schlecht behandelt worden. Das hat ihn aber nicht gestoppt. Und die Zahl der jungen Christengemeinden rund ums Mittelmeer ist mächtig gewachsen.
Timotheus stärkte den Glauben
Schüler wie Timotheus sollten dafür sorgen, dass die Gemeinde am Ball blieb, wenn Paulus abgereist war. Durch Briefe ist der mit seinen Mitarbeitern und den Gemeinden in Verbindung geblieben. Später haben vermutlich auch einige Paulus-Schüler in seinem Namen ermahnende und ermutigende Briefe an die ersten Christengenerationen geschrieben. Damit sie dranbleiben am Glauben.
Timotheus, der Lieblingsschüler
Timotheus ist offensichtlich einer der Lieblingsschüler des Paulus. Er wird ermahnt, an den „gesunden Worten festzuhalten“, die er von Paulus gehört und gelernt hat. Im zweiten Brief an Timotheus, der heute in den katholischen Gottesdiensten gelesen wird, klingt das so:
Mein Sohn! Ich rufe dir ins Gedächtnis: Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir durch die Auflegung meiner Hände zuteil geworden ist. Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Schäme dich also nicht des Zeugnisses für unseren Herrn und auch nicht meiner, der ich für ihn im Gefängnis bin, sondern leide mit mir für das Evangelium! Gott gibt dazu die Kraft. Als Vorbild gesunder Worte halte fest, was du von mir gehört hast in Glaube und Liebe in Christus Jesus! Bewahre das dir anvertraute kostbare Gut durch die Kraft des Heiligen Geistes, der in uns wohnt! (2 Tim 1,6-8. 13-14)
Musik 2: Enjott Schneider: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht (Enjott Schneider – Sacred Music Vol.9 Neuer Kammerchor der HfKM Regensburg / Ltg. Kunibert Schäfer) [4 | 1:39]
Jesus stärkt mich und gibt meinem Leben eine Richtung
Das hat mich gepackt in dem Wort aus der Bibel vom heutigen Sonntag: Das, was die Menschen sich weitersagen über Jesus, sind „gesunde Worte“ und „kostbares Gut“. Ich erlebe das auch so: Was von Jesus bekannt ist und erzählt wird, sind für mich – und für sehr viele andere – gesunde, stärkende Worte und Gedanken. Sie geben meinem Leben eine Richtung. Und wenn ich sie lese oder höre, spüre ich jedesmal eine Energie, die sie entfalten.
Stärkende Worte aus dem biblischen Brief
In dem kurzen Textabschnitt aus dem biblischen Brief an Timotheus finde ich gleich eine ganze Reihe solcher stärkenden Sätze. Das beginnt schon damit, dass Timotheus erinnert wird: „Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir durch die Auflegung meiner Hände zuteil geworden ist“. Offensichtlich hatte Paulus den Timotheus durch Handauflegung gesegnet und gestärkt.
So wie es heute bei der Firmung geschieht, mit der meist junge Menschen für ein Leben im Geist Gottes gestärkt werden. Die Liebe Gottes soll in ihnen brennen und wirken. Und sie zu einem Leben als Christen stark machen. Das ist natürlich kein magisches Ritual, sondern das Versprechen von Gottes Kraft – das die eigene Mitarbeit mit beflügelt.
Der Glaube muss immer weider neu entfacht werden
Es kommt vor, dass diese Kraft manchmal ein wenig versinkt in all dem, was uns sonst noch beschäftigt und umtreibt. Sie muss immer mal neu gesucht, manchmal auch wieder angezündet werden. Das war und ist vermutlich bei den meisten Gläubigen so.
Vom Glauben bewegt sein, ist selten ein Dauerfeuer. Sondern muss gepflegt werden. Es gibt vielleicht Zeiten, da ist ein Mensch weiter davon weg – der Glaube ist abgekühlt – dann könnte das Feuer neu angefacht werden. Wie auch hier bei Timotheus.
Einige meiner Lieblingsworte aus der Bibel
Und deshalb folgt im nächsten Satz - für mich wie ein leuchtendes Feuer - eine große Zusage: Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. (1 Timotheus 1,7)
Dieser Satz gehört zu meinen Lieblingsworten aus der Bibel. Da steckt alles drin, was ich brauche: die ganze Spanne von „verzagt sein“ bis „aufgerichtet werden“. Ja, das kenne ich gut. Das ist soweit normal. Und vor allem, wenn ich diese Sätze lese oder höre, spüre ich wieder neu diesen Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
Wobei: Kraft und Liebe, das leuchtet ja sofort ein. Das braucht jedes Leben. Aber „Besonnenheit“? Das finde ich sehr überraschend. Besonnenheit bedeutet wohlüberlegt. Abwägend. Nicht unüberlegt. Es klingt nach „rechtem Maß“, „Selbstbeherrschung“, „Anstand“ und „moralischem Verhalten“.
Manchem kommen diese Tugenden vielleicht altmodisch vor? Aber wohin die Welt sich entwickelt, wenn Besonnenheit fehlt, können wir jeden Tag sehen. Gelingendes Leben für alle Menschen aber gibt es nur, wenn Liebe, Wärme und Intuition gepaart sind mit Besonnenheit.
Musik 3: Peter Michael Hamel: Mandala (Peter Michael Hamel: Let it play – Selected Pieces 1979-1983 [8 | 2:40]
Glaube erfordert Mut
In der Reihe der kraftvollen Worte folgt in dem biblischen Brief an Timotheus eine Warnung und Ermunterung zugleich: Schäme dich also nicht des Zeugnisses für unseren Herrn und auch nicht meiner, der ich für ihn im Gefängnis bin, sondern leide mit mir für das Evangelium! Gott gibt dazu die Kraft. (1 Timotheus 1,8)
Sich nicht für den Glauben schämen…..damit wird etwas beschrieben, was für christliche Menschen heute besonders wichtig ist. Weil es inzwischen manchmal etwas Mut erfordert, sich zum Glauben zu bekennen. Gläubig sein und ein christliches Leben leben ist schließlich nicht mehr selbstverständlich. Vielleicht war es das auch nie wirklich.
Glaube spielt heutzutage oft eine kleinere Rolle
Zudem ist das Wissen über Religiöses momentan stark geschwunden. Das spielt im Alltag oft gar keine Rolle mehr. Auch Timotheus kannte das. Er lebte in einer heidnischen Umgebung mit einer der ersten frisch entstandenen christlichen Gemeinden. Er war bestimmt auch manchen Fragen und Anfeindungen ausgesetzt.
Und brauchte Ermunterung – sich davon nicht irritieren zu lassen. Er soll sich also nicht seiner neuen Gemeinschaft und seines Glaubens schämen. Das sollten heutige Christinnen und Christen auch nicht, sondern Sauerteig sein in der Welt. Manchmal vielleicht auch Sand im Getriebe? Im Auftrag von Jesus für Menschenrechte, Nächstenliebe und Gerechtigkeit.
"Gesunde Worte"
Und deshalb heißt der nächste kraftvolle Satz:
Als Vorbild gesunder Worte halte fest, was du von mir gehört hast in Glaube und Liebe in Christus Jesus! (1 Timotheus 1,13)
„Gesunde Worte!“ Was für ein passender Ausdruck für das, was Jesus gelebt, gesagt und gepredigt hat. Als „gesund“ verstehe ich alles, was Leben fördert und das Befinden stärkt.
Und nach meiner Erfahrung ist es wirklich „gesund“, was von Jesus überliefert ist:
Jesus hat keine Ruhe damit gegeben, den Menschen von der Barmherzigkeit Gottes zu sprechen und sie zu barmherzigem Verhalten aufgerufen. Frieden war ihm ganz wichtig. Also hat er den Menschen Frieden zugesprochen und umgekehrt dazu aufgefordert, Frieden zu stiften.
Und das alles hat er eingebettet in den Wunsch: Glaubt an mich und glaubt an Gott! Weil Gott gütig ist, können die Menschen gütig sein. Weil Gott großzügig ist, können die Menschen großzügig sein. Weil Gott liebt, können Menschen lieben. Nicht das Geld, die Karriere oder der gesellschaftliche Rang soll vergöttert werden, sondern der Gott, den Jesus seinen Vater genannt hat.
Mir ist bewusst, dass leider im Namen Gottes nicht nur Gutes und Gesundes geschehen ist. Deshalb ist es so wichtig, dass christliche Menschen sich immer wieder auf die Grundlagen besinnen und auch den Ernst und die Verantwortung erkennen, der darin liegt.
Musik 4: Erhard Mauersberger, Gott der heil’ge Geist (Herr, tue meine Lippen auf Leipziger VokalRomantiker, Ltg. Georg Christoph Biller) [2 | 2:34]
"Kostbares Gut"
Und noch einen Satz aus dem Brief an Timotheus finde ich bemerkenswert:
Bewahre das dir anvertraute kostbare Gut durch die Kraft des Heiligen Geistes, der in uns wohnt! (1 Timotheus 1,14)
Die „gesunden Worte“ über Gott und Jesus Christus sind ein „kostbares Gut“. Ja, das sind sie, weil sie Mut machen können. Und Hoffnung. Weil sie zeigen, was größer ist als diese Welt, so schön sie auch ist. Weil sie zur Liebe ermutigen. Aber auch zu einer immer größeren inneren Freiheit.
Eine Frau hat das so ausgedrückt: „Zu wissen und zu spüren, dass Gottes Geist in mir wohnt, das gibt mir so viel Kraft und Freude. Das ist mir so kostbar und hat mein Leben verändert.“
Erinnern an Gottes Geist in mir
Vielleicht spüre ich das nicht immer so deutlich: Dass Gottes Geist in mir wohnt. Dann ist es gut, wenn ich von anderen daran erinnert werde. Auch Timotheus, damals im ersten Jahrhundert, musste daran erinnert werden, dass Gottes Geist in ihm wohnt. Oder, wie es in einem anderen starken Bibelwort heißt: „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28).
Bibelworte geben Kraft und machen Mut
Und es reicht, wenn der Glaube so groß ist wie ein Senfkorn. Sätze aus der Bibel können Kraft geben und Mut machen – auch Menschen, die sich gar nicht als so besonders gläubig bezeichnen würden.
Es ist gut, wenn wir uns gegenseitig von unseren Mutmach-Sätzen erzählen und sie uns gegenseitig zusprechen, von Oma zu Enkel, von Partner zu Partnerin, von Freund zu Freundin. Gesunde Worte, stärkende Worte, die ins Herz gehen und das Leben leichter machen.
Musik 5: Johann Sebastian Bach: Actus tragicus, Gottes Zeit (Bach: Cantatas 106,131, 99 & 8) The Bach Ensemble, Ltg. Joshua Rifkin) [2 | 2:13]