kreuzbewegt
Meine Güte, 20 Jahre ist es her, dass der 20. internationale katholische Weltjugendtag 2005 in Köln stattfand. Erst vergangene Woche traf sich die Jugend der Welt wieder zum Weltjugendtag in Rom. Aber zurück: 2005 war ich gerade Anfang 20 und durfte Teil dieses großen Glaubensfestivals sein. Zwei Jahre zuvor hatte ich mein Abitur abgelegt, und bevor ich ins Religionspädagogik-Studium startete, ergab sich die einmalige Gelegenheit, ein Jahr lang mit einem kleinen internationalen Team die Vorbereitung des Weltjugendtages mitzugestalten. Zur Tradition der Weltjugendtage, die Papst Johannes Paul II. 1984 initiierte, gehört es auch, dass ein großes Kreuz durch das ausrichtende Land pilgert.
Das Kreuz des Weltjugendtages mittragen
Unter dem Motto „kreuzbewegt“ wurde nun 2004 bis 2005 das Weltjugendtagskreuz durch Deutschland getragen - kreuz und quer, von Jugendgruppe zu Jugendgruppe, von Bistum zu Bistum, von Hand zu Hand. Einige der Stationen durfte ich begleiten und die Begegnungen mit dem Kreuz vorbereiten und mitgestalten. Besonders lebendig ist für mich die Übergabe des Kreuzes an meine Jugendgruppe auf dem Fuldaer Domplatz 2004. Zum Ende des großen Bonifatiusfestes bekamen wir das 3,80 m hohe und 31 kg schwere Kreuz überreicht und trugen es zu einer kleinen Kapelle, 13 km von Fulda entfernt. Immer mindestens sechs Personen gleichzeitig legten sich das Kreuz auf die Schultern und führten unsere Prozession an. Bis heute hat sich dieses Erlebnis tief in meine Seele eingegraben und mich etwas über mein Christsein gelehrt.
Im Evangelium lese ich, dass Jesus das Kreuz zum Maßstab der Nachfolge macht: „Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!“ (Mt 16,24) Heißt das jetzt, dass ich mit meinem Leben plötzlich bei Jesus keine Rolle mehr spiele? Mich selbst aufgeben, gar verleugnen? Das kann es doch nicht sein!
Wenn die Menschen das Kreuz des anderen mittragen
Ich blicke dafür nochmal zurück ins Jahr 2004. Ich erinnere mich, wie ich ein ganzes Wegstück mit einem guten Freund gemeinsam unter dem Kreuz ging. Wir wussten damals viel voneinander, kannten die jeweiligen Fragen und Zweifel des anderen. Jeder trug nun so sein Kreuz. Aber mit einem Mal veränderte sich das Erlebnis, und ohne dass einer ein Wort sagte, war uns beiden bewusst, dass wir nun für die nächsten Kilometer füreinander das Kreuz trugen.
Wer Jesus nachfolgt, existiert nicht mehr nur für sich selbst. Nachfolge bringt immer auch Gemeinschaft mit sich. Liebe wird erst dann fruchtbar, wenn ich sie mit anderen teile. Das heißt auch, dass ich nicht mehr nur um meine Sorgen kreise, sondern das Kreuz des anderen mittrage, weil das Leben des anderen Teil meines Lebens geworden ist.
Die Gemeinschaft trägt auch mich
Mich tröstet dieser Gedanke. Denn nicht nur ich trage die Last des anderen mit, sondern ich darf mich auch darauf verlassen, dass es in der Gemeinschaft derer, die Jesus nachfolgen, Menschen gibt, die mich mittragen. Menschen, die dann, wenn ich es zulasse, mein Kreuz mit auf ihre Schultern nehmen. Und auf einmal ist das Kreuz keine Last mehr, sondern es wird zum Haltepunkt und Ankerplatz, an dem ich mich festhalten kann.
Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer wünsche ich diese Erfahrung von Herzen und wer weiß, welche Menschen Sie heute unter dem Kreuz treffen.