Ihr Suchbegriff
Abtauchen in Begeisterung

Abtauchen in Begeisterung

Christoph Wildfang
Ein Beitrag von Christoph Wildfang, Evangelischer Pfarrer, Arnoldshain

Pfingsten ist ein Fest, da geht es um den Heiligen Geist, der aus heiterem Himmel Menschen erfasst. Und es geht um Begeisterung. Aber wie sie die aus? Ich denke an Zeiten in meinem Leben voller Begeisterung. Als Jugendlicher war ich begeistert in einem Schwimmverein. Ich war mit Feuer und Flamme dabei. Im Tauchen war ich besonders gut und deshalb total entspannt, als es hieß: Wir machen einen Tagesausflug.

Zu einem anderen Verein, der aufs Tauchen spezialisiert ist. Ich war motiviert bis in die Zehenspitzen, als wir losfuhren. Im Bus waren nicht nur wir Jugendliche, sondern auch jede Menge erwachsene Vereinsmitglieder. Es hat mich schon stutzig gemacht, dass vor der Abfahrt Bierkästen in den Bus gewuchtet wurden. Bierkästen statt Tauchgeräte? Die Stimmung im Bus wurde immer bierseliger. Am Ziel angekommen konnten die meisten Erwachsenen kaum noch selbstständig laufen. Okay, dachte ich. Das müssen die für sich selber wissen. Ich will jetzt tauchen. Doch statt zum Tauchen ging es jetzt in die nächste Kneipe. Wir Jugendlichen bekamen ein Essen spendiert. Die Erwachsenen feierten und zechten weiter.

Meine Begeisterung für den Verein war auf dem Nullpunkt, wie weggeblasen. Fassungslos sah ich die älteren Schwimmkameraden, die sich zuprosteten und eine Flasche nach der anderen leerten. Keine Rede mehr vom Tauchen, kein Wort von Sport und Wettkampf. Restlos ernüchtert habe ich diesen Ausflug überstanden. Beim nächsten Termin im Schwimmverein brachte ich meinen Vereinsausweis mit und gab ihn dem Trainer.

Er druckste verlegen rum. Aber ich war fertig mit diesem Verein. Was für mich mit so viel Begeisterung angefangen hatte, war vorbei. Was war das für ein Geist im Schwimmclub? Was ist überhaupt Geist – und die Begeisterung, die von ihm ausgeht? Anscheinend gibt es vielerlei Geist. Heute ist Pfingsten. Und da geht es um Gottes Heiligen Geist. Was ist das für einer und wie wirkt der?

Heute ist Pfingsten. Dazu gibt es eine Geschichte. Die erzählt auch von Begeisterung. Aber diese Begeisterung unterscheidet sich von meinem Erlebnis als Jugendlicher! Das allererste Pfingstfest: Die Freunde von Jesus hocken traurig und leer in Jerusalem. Eingeschlossen haben sie sich in einem Haus. Sie haben Unglaubliches mit Jesus gemeinsam erlebt. Jesus, der tot war, lebt. Wird ihnen das einer glauben? Ihre Hoffnung und ihr Mut sind wie weggeblasen. Da passiert es: „Sie wurden alle erfüllt vom Heiligen Geist.“ So erzählt es die Bibel (Apstelgeschichte 4,31). Sie werden vom Heiligen Geist nicht nur leise gestreift, nicht nur sanft berührt, sondern sie bekommen Gottes Kraft. Geschenkt. Überraschend. Einfach so. Sie fühlen Gottes Power.

Es ist, als ob Feuerflammen über ihren Köpfen zu sehen sind. So sehr sind sie Feuer und Flamme. Sie werden richtig verändert! Von Trauerklößen zu Leuten, die vor Begeisterung nur noch so sprudeln. Die Jünger geraten durch Gottes Geist regelrecht aus dem Häuschen. Wie vom Wirbelsturm erfasst. Und der pustet sie kräftig durch. Gottes Geist öffnet ihnen den Mund. Sie, die mutlos waren, können nun begeistert von Jesus Christus erzählen. Gottes Geist überwindet sogar plötzlich Sprachgrenzen. Wo doch die Jünger eigentlich nur Aramäisch sprechen.

Aber für das jüdische Pfingstfest sind Menschen aus aller Welt nach Jerusalem gekommen: aus Ägypten, aus Griechenland, Rom, der Türkei. In den Straßen von Jerusalem herrscht ein einziges Sprachgewirr. Plötzlich gelingt es den Jüngern so über Jesus zu sprechen, das jeder sie versteht. Sie können das weiter erzählen, was ihnen selber Mut gemacht hat. Die vorher ganz unten waren, erfahren ganz neu Gottes Liebe. Sind erfüllt davon. Der Funke springt über. Was die Jünger da erzählen, begeistert auch andere. Unter Leuten, die sich gar nicht kennen, die nicht einmal dieselbe Sprache sprechen, entsteht so etwas wie Gemeinschaft. Eine begeisterte Gemeinschaft im Licht von Gottes Geist.

Das ist nicht nur ein Strohfeuer. Diese innere Kraft, die alle spüren, bleibt. Wer von Gottes Geist erfüllt ist, kann Liebe austeilen. Selbst weitergeben. Weiterschenken in aller Fülle. Wahrscheinlich können die Jünger und die Leute in Jerusalem zuerst gar nicht so richtig begreifen, was Gott ihnen da geschenkt hat. Das Symbol des Feuers auf ihren Köpfen veranschaulicht Gottes Geschenk. Feuerflamme – das steht für zündende Ideen, für himmlische Einfälle, für Energie. Nichts bleibt beim Alten. Menschen kommen in Bewegung. Das erste Pfingstfest in Jerusalem gleicht wohl eher der Stimmung in einem Fußballstadion nach einem Tor. Flammen der Begeisterung, die hoch schlagen. Unbekannte liegen sich in den Armen. Freude springt von Reihe zu Reihe, von Mensch zu Mensch. So und noch viel größer stelle ich mir Pfingsten vor.

Pfingsten steht heute auf dem Kalender. Natürlich, der Geist Gottes lässt sich nicht auf einen Termin im Kalender festlegen. Er weht, wann und wo er will. Pfingsten – das sind die gott-gefüllten Momente, in denen ich spüre: Da wo ich bin, weht ein guter Geist. In mir wirkt ein guter Geist. Oft merke ich erst im Nachhinein, dass Gottes Geist dabei gewesen ist.

Ich denke noch einmal an meinen Frust als Jugendlicher beim Tauchausflug. Ich hatte mich so darauf gefreut. Doch statt abzutauchen, machten die Erwachsenen des Schwimmclubs nur eine Trink-Tour daraus. Das hat meine Begeisterung an einem Tag ausgelöscht. Als Erwachsener habe ich dann doch noch meine Begeisterung fürs Tauchen wiedergefunden. Eigentlich hat die Begeisterung mich gefunden. Freunde von mir hatten ein Schwimmbad entdeckt, das Schnuppertauchen anbot. So fand ich mich im Pool wieder, mit Flossen an den Füßen, Taucherbrille im Gesicht, Pressluftflasche auf dem Rücken.

Die Angst, Wasser zu schlucken, musste ich erst mal überwinden. Ich biss verbissen auf das Mundstück vom Schnorchel, atmete zuerst hektisch und lernte langsam, wie das geht: mit der Pressluftflasche auf dem Rücken unter Wasser ruhig ein- und ausatmen. Das war der Anfang. Bei einem der nächsten Male tauchte ich dann im Roten Meer: unzählige bunte Fische, Korallen.

Ich staunte über Gottes wunderbare Schöpfung unter Wasser. Mich im Meer bewegen – frei, leicht, schwerelos. Die Stille. Die Sonnenstrahlen, die sich durchs klare Wasser brechen. Unterwasser-Schönheit! Da war sie wieder, die Begeisterung, die ich als Jugendlicher fürs Tauchen hatte und die mir so plötzlich abhandengekommen war. Ich möchte die begeisterten Momente in meinem Leben als Gottes Geschenke verstehen.

Ein klein bisschen komme ich dann dem nahe, was die Freunde Jesu in Jerusalem gefühlt haben. Begeistert von Gottes Power. Auf einmal die Welt in einem neuen Licht sehen. So viel Schönes erleben, dass man anderen davon erzählen will und das Gute mit anderen teilen möchte. Anders leben können. Mit Gottes Geist. Ich für mich in meinem Leben und am liebsten gemeinsam mit anderen. Das kann immer passieren. Auch dann, wenn ich schon gar nicht mehr damit rechne. Wer Gottes Geist feiert, ist vor begeisternden Überraschungen nie sicher.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren