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Schon einem Menschen helfen verändert die Welt
Rolf Vennenbernd/dpa report

Schon einem Menschen helfen verändert die Welt

Claudia Rudolff
Ein Beitrag von Claudia Rudolff, Rundfunkpfarrerin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Kassel
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"Wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Welt." So steht es im Talmud, einem der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums. Mich berührt dieser Spruch. Zum einen schützt er mich vor Überforderung: Ich muss nicht die ganze Welt retten.

Und Gott sei Dank bin ich nicht ständig in der Situation, ein Menschenleben retten zu müssen. Aber Retten gibt es auch in kleineren Formen. Dazu ermutigt mich dieser Spruch: Ich kann mich konkret von einem Menschen und seinen Sorgen anrühren lassen. Und dann mit ihm nach Möglichkeiten suchen, die ihm helfen.

Er stand beim Tischtennisspielen immer nur daneben...

"Wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Welt." Das wird für mich anschaulich in der Lebensgeschichte von Rainer Schmidt. Er wurde ohne Unterarme geboren. Als er 14 Jahre alt war, sind seine Eltern mit ihm 1977 in den Urlaub nach Österreich gefahren.

In dem kleinen Ferienort gibt es damals für die Kinder noch keinen Abenteuerspielplatz oder Bolzplatz. Aber auf einer Wiese steht eine Tischtennisplatte. Dort treffen sich die Kinder des Ortes und lassen den Ball übers Netz fliegen.

Rainer steht nur immer daneben und schaut den anderen Kindern zu. Seine Arme sind einfach zu kurz, um einen Schläger zu halten. Um nicht völlig ausgeschlossen zu sein, macht Rainer den Schiedsrichter.

...bis einer kam und sagte: "Ich lass mir was einfallen!"

Das beobachtet ein anderer Urlaubsgast, Herr Lutz. Er fragt Rainer: "Willst du denn nicht auch mitspielen?" Rainer antwortet: 2Das würde ich gern, aber meine Arme sind zu kurz." Herr Lutz grübelt und sagt: "Ich lass mir was einfallen."

Am nächsten Tag kommt er wieder zur Tischtennisplatte. Er hat Schnüre und Schaumstoff dabei. Eine Lage Schaumstoff wickelt er um den verkürzten Arm. Dann kommt der Schläger, dann wieder Schaumstoff und schließlich wird alles mit Schnüren festgebunden.

Herr Lutz tüftelt lange, bis der Schläger richtig sitzt. Rainer muss erst noch üben, aber dann kann er mitspielen. Und fortan ist er ein begeisterter Tischtennisspieler.

"Der arme Junge" denken allein reicht nicht

Mit der Zeit findet er immer bessere Hilfsmittel und Konstruktionen, um den Schläger zu halten. So kommt Rainer Schmidt zum Behindertensport und wird Profi-Tischtennisspieler. Er gewinnt 2004 bei den Paralympics in Athen Silber im Einzel und Gold mit seinem Team für Deutschland.

Rainer Schmidt fragt sich manchmal: "Wie wäre mein Leben gelaufen ohne Herrn Lutz? Was wäre gewesen, wenn Herr Lutz mich beobachtet und nur gedacht hätte: Der arme Junge!"

Sich anrühren lassen - und handeln!

Herr Lutz hat nicht nur an seine Urlaubstage gedacht. Er hat sich anrühren lassen. Und dann gehandelt: Er hat sein handwerkliches Können angewendet, um Rainer zu helfen. "Wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Welt."

Es ändert schon viel, wenn jeder von uns einem Menschen hilft.

 

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