Feuer und Flamme
hr4 Gottesdienst zum Pfingstsonntag
aus der evangelischen Kirche in Heringen, 10.04 Uhr – 11.00 Uhr
Hier geht´s von 10.04 bis 11.00 Uhr zum hr4 Livestream.
Den Gottesdienst zum Nachhören gibt es nach der Ausstrahlung auf der Seite hr4.de.
Nach dem Gottesdienst können Hörerinnen und Hörer mit Pröpstin Sabine Kropf-Brandau telefonieren: Sie ist von 11.00 bis 12.00 Uhr
unter der Telefonnummer 05 61 93 78 13 51 zu erreichen.
Ausserdem finden Sie hier:
- Die Predigt von Pröpstin Sabine Kropf-Brandau
- Die Mitwirkenden im Gottesdienst
- Die Pressemeldung
"Feuer und Flamme"
Predigt Teil 1:
Liebe Gemeinde, liebe Hörerinnen und liebe Hörer!
Hätte es zur Zeit Jesu vor 2000 Jahren schon eine Zeitung gegeben, - Diese Geschichte von Pfingsten, wäre sicher Schlagzeile auf der Titelseite gewesen: „Wunder in Jerusalem. Alles Feuer und Flamme.“
Doch was genau hätte eine solche Schlagzeile gerechtfertigt und was macht das Wunder aus? Die Geschichte ereignete sich 50 Tage nach Ostern. Unendlich viele Menschen waren nach Jerusalem gekommen, um das Passahfest zu feien. Unter ihnen auch die Jünger Jesu und die Frauen, die mit ihm lange Zeit durchs Land gezogen waren. Sie schließen sich zusammen und sitzen gemeinsam in Jerusalem in einem Haus. Die Stimmung ist am Nullpunkt. Irgendwie sind sie alle bedrückt und frustriert. Jesus ist zwar vor fünfzig Tagen von den Toten auferstanden, aber dann ist er gen Himmel verschwunden. Sie, seine Anhängerschar, hat er ratlos zurückgelassen. Außerdem haben sie Angst. Wer sich in diesen überhitzten Zeiten öffentlich zu Jesus bekennt, wird polizeilich verfolgt. Und wer weiß, was dann mit ihnen passiert? Wie soll es nun weitergehen? So fragen sie sich immer wieder. Unsicher, ratlos und auch ziellos-das beschreibt ihre Gefühlslage am ehesten.
Und dann passierte es: Es fängt plötzlich im Haus an zu stürmen! Rauschen, Windböen und Lärm. Ein richtiger Sturm. Und das mitten im Haus! Eine wahrhaft wundersame Begegnung der etwas anderen Art. Zusätzlich tauchen aus dem Nichts auch noch große Feuerzungen auf, setzen sich auf die Köpfe. Die Jünger und Jüngerinnen waren wie elektrisiert. Sie waren Feuer und Flamme oder wie es die Bibel sagt: „Sie wurden erfüllt vom Heiligen Geist.“
Die biblische Geschichte liefert zu dieser feurigen Erfahrung keine theologische Erklärung. Auch wie der Geistaussieht, der sie erfüllt, wird nicht beschrieben. Aber wie er wirkt. Die Geschichte erzählt, was mit den Menschen passiert, die von diesem Geist erfüllt werden. Und das ist ja schon beeindruckend: Die gleichen Leute, die eben noch unsicher und ängstlich in ihrem Versteck saßen, springen auf. Sie rennen nach draußen und fangen in aller Öffentlichkeit an, laut von Gottes Liebe zu schwärmen. Und das sogar in Sprachen, die sie vorher gar nicht kannten. Weg ist die Angst vor Repressalien, weg ist ihre Verzweiflung. Sie sind nun mutig, eben Feuer und Flamme Sie spüren ihre Begeisterung für Gott.
Dabei hat sich an der realen Situation der Gruppe ja nichts geändert. Trotzdem ist auf einmal alles anders. Der Heilige Geist-der Geist Gottes hat sie innerlich verändert. Er nimmt ihnen die Angst vor den Herausforderungen, und macht sie mutig, kräftig und begeistert. Kein Wunder, dass Pfingsten als Geburtsstunde der Kirche gilt: Entflammte Menschen fangen an, anderen fröhlich von ihrem Glauben zu erzählen. Sie waren erfüllt vom Heiligen Geist. Und das ist wäre nun wirklich eine Schlagzeile auf der Titelseite wert: „Wunder in Jerusalem. Alles Feuer und Flamme.“
Predigt Teil 2:
Feuer und Flamme. Ja, das waren die Menschen vor 2000 Jahren. Sie waren erfüllt vom Heiligen Geist. Ich kann das vor meinem inneren Auge sehen, wie sie getanzt und gefeiert haben. Voller Energie und Mut und Freude. Da war er, der Heilige Geist, der alles verändert. Und er setzte Menschen in Bewegung.
Damals!Wie erleben wir das heute? Wie feiern wir Pfingsten? Ich habe dazu eine Begebenheit gelesen, die mich nachdenklich stimmt:
Der Pfarrer einer Dorfgemeinde redet mit seiner Küsterin. Sie planen das Pfingstfest. Man müsste doch mal zu Pfingsten so einen richtigen Knaller bringen. Einen, der die Leute aufhorchen lässt und den sie nie vergessen! So ähnlich, wie es vor 2000 Jahren eben auch war.
Sie überlegen und dann kommt ihnen eine geniale Idee. Im Chorraum der Kirche war ein kleines Fenster. Die Küsterin soll nun eine Taube besorgen. In dem Moment, wo der Pfarrer in der Predigt ruft „Komm, Heiliger Geist!“ soll sie die Taube durch dieses kleine Fenster in die Kirche fliegen lassen.
Alles wird vorbereitet. Der Pfarrer betritt am Pfingstfest die Kanzel. Er ist bei der Predigt Feuer und Flamme. Und schließlich kommt die entscheidende Stelle. Er ruft: „Komm, Heiliger Geist!“ Er wartet. Nichts geschieht.
Er ruft noch einmal: „Komm, Heiliger Geist!“. Nichts rührt sich. Er dreht sich zu dem kleinen Fenster, ruft zum dritten Mal: „Komm, Heiliger Geist!“. Da schaut die Küsterin durch das Fenster und sagt peinlich berührt: „Der Heilige Geist ist weggeflogen!“
Manchmal habe ich den Eindruck: Ja, so ist es. Der Hl. Geist ist irgendwie verschwunden. Ausgeflogen. Man ruft ihn, aber er scheint nicht zu kommen. Kirche, die christliche Gemeinschaft ist entstanden, als der Heilige Geist die Jünger und Jüngerinnen innerlich veränderte, sie begeisterte und entflammte.
Und ohne diesen Geist ist alles wie tot. Da sind wir eine Religionsbehörde. Da gibt es schlauen Gedankenaustausch über Gott. Da wird in unseren Kirchen über unsere Zukunft nachgedacht , weil sich immer mehr Menschen vom Glauben abwenden. Da werden kluge Gedanken formuliert, wie das eventuell verhindert werden könnte. Das ist alles irgendwie richtig und wichtig. Aber es fehlt das Leben. Es fehlt die Begeisterung. Es brennt kein Feuer. Da werden Menschen nicht berührt. In Jerusalem war das anders. Da waren die Menschen berührt und entflammt und änderten deshalb ihr Verhalten. Rationale Gründe reichen oft nicht. Es muss mich berühren, damit ich etwas ändere. Dafür brauche ich den Geist Gottes. Und es macht mich traurig, dass ich ihn augenscheinlich so wenig spüre. Hat uns der Heilige Geist wirklich verlassen oder suchen wir ihn an der falschen Stelle?
Predigt Teil 3:
Hat uns der Heilige Geist wirklich verlassen oder suchen wir ihn an der falschen Stelle-? Ich glaube: Beides stimmt. Ich befürchte, dass wir uns eingestehen müssen, dass wir als Kirche durchaus in der Gefahr stehen, geistlos zu handeln und jede und jeder Einzelne von uns tut das ebenso. In einer Zeit, in der der Glaube zunehmend an Bedeutung verliert, ist die Gefahr der Anbiederung um jeden Preis sehr groß. Es ist leicht zu sagen: Wir sind offen für Vielfalt, wir sind gegen Ausgrenzung. Aber erzählen wir auch, warum wir das tun? Unsere Kernkompetenz aber lautet: „Wir sprechen von Gott. Wir machen deutlich, was Gott mit unserem Reden und Handeln zu tun hat“ Das gilt für jeden Christen und für jede Christin. Das gilt am Stammtisch genauso wie am Arbeitsplatz. Das ist sicher manchmal unbequem und auch nicht unbedingt öffentlichkeitswirksam. Aber nur wenn wir Feuer und Flamme für Gottes Botschaftsind,, können wir andere entflammen. Daran erinnert uns das Pfingstereignis.
Mir fiele es leichter, wenn ich ein Erlebnis wie damals in Jerusalem miterleben würde, dass tatsächlich eine Schlagzeile auf der Titelseite wert wäre. Da bin ich, wie der Pfarrer in meiner Geschichte. Ich hätte gern den Knaller für unsere Kirche. Und nach meiner Predigt ließen sich 3000 Menschen taufen. So wie damals nach der Pfingstpredigt des Petrus. Da könnte man bemerken, dass der Heilige Geist noch in seiner Kirche wirkt.
Passiert aber leider gerade nicht. Hat uns der Gottes Geist verlassen ? Oder suche ich nur an der falschen Stelle? Vielleicht entdecke ich wie der Heilige Geist heute wirkt, wenn ich genauer dort schaue,wo es mir so selbstverständlich erscheint. Vielleicht ist die Flamme nicht so riesengroß. Vielleicht geht es auch nicht darum ganze Menschenmassen zu begeistern, sondern erst einmal wieder das Feuer in Einzelnen wahrzunehmen?
Wage ich so zu denken, entdecke ich: Neben den vielen Menschen, die aus welchen Gründen auch immer ihre Kirche verlassen oder mit dem christlichen Glauben nichts anfangen können, entdecke ich viele Menschen, die Gott vertrauen, seine Liebe weitergeben und die auch Feuer und Flamme für ihre Kirche sind. Die sich einbringen, sich engagieren.
Da ist Susanne, die sich nach ihrem Ruhestand bei der Tafel engagiert. Sie schaut auf ein erfülltes Leben zurück und ist Gott dafür dankbar. Und diese Dankbarkeit möchte sie ganz praktisch zeigen. Jede Woche sortiert sie gespendete Lebensmittel in Tüten und verteilt sie an die, die vor der Ausgabestelle stehen. Für jeden hat sie ein gutes Wort und ein Lächeln. Da ist Gottes Geist spürbar.
Und ich denke an Bernd. Er wagt zu sagen, dass für ihn als Christen antisemitische Parolen, untragbar sind. Egal wer sie sagt. Bernd erhebtseine Stimme, wenn er solche Sprüche in der Kantine hört und er ging mit seinem jüdischen Nachbarn zur Demonstration gegen Rechts. Gemeinsam hielten sie ein Schild hoch auf dem stand: „Um Gottes Willen „Nein“ Das ist Gottes Geist spürbar.
Da ist Frieda. Sie war ihr ganzes Leben eine hochengagierte und aktive Frau. Nun ist sie alt und kann sie aus gesundheitlichen Gründen ihr Haus kaum noch verlassen. Trotzdem ist sie aktiv. Sie betet für Menschen, die ihr am Herzen liegen und sie betet, dass Unrecht- gerade durch Menschenhand verursachtes Unrecht- endet. Jeden Tag beginnt sie mit einem langen Gebet und bringt Lob und Klage vor Gott. Das ist Gottes Geist spürbar.
Und ich durfte Josh kennenlernen. Einen jungen Mann, der seit seiner Geburt eine schwere chronische Erkrankung hat. Er wuchs mit dem Wissen auf, dass seine Lebenszeit sehr begrenzt sei. Doch Josh beschloss, dass Gott viel mit ihm vorhat und er hat inzwischen fast die ganze Welt bereist. Davon kann er faszinierend berichten. Er freut sich seines Lebens und steckt andere damit an. Da ist Gottes Geist spürbar.
Leben gegen allen Hass, Leben voller Zuversicht, Leben im Gebet, Leben in Gemeinschaft. Leben, wie Gott es für seine Menschen will. Da sind Menschen vom Heiligen Geist erfüllt. Da sind sie Feuer und Flamme.
Das möchte ich wahrnehmen. Solche Lebensgeschichten berühren und sie ermutigen mich. Hier zeigt sich Gottes Geist. Sicher nicht als riesiges Event, sicher auch keine Schlagzeile auf einer Titelseite wert, aber mit der gleichen Kraft, die vor 2000 Jahren aus einer verzweifelten Jüngerschaft eine glaubensstarke Gemeinschaft machte.
Gottes Geist wirkt. Anders als manchmal erwartet, aber verlässlich und treu. Da spüre ich, wie er seine Kraft auch heute entfaltet. So als wenn ein kleines Feuer anfängt zu lodern. Der Heilige Geist verlässt uns nicht, weil Gott für uns Feuer und Flamme ist. Das ist die Botschaft zu Pfingsten. Gott hat uns mit seinem Geist beschenkt, weil er für uns brennt. Und das wird er immer tun. Wir haben sein Versprechen. Das ist der Knaller an Pfingsten. Gott ist für uns Feuer und Flamme. Daran will ich festhalten. Davon will ich erzählen. Das ist besser als jede Schlagzeile. Amen
Die Mitwirkenden im Gottesdienst:
Liturgie + Predigt:
weitere Mitwirkende:
Dr. Thorsten Waap
Paula Waap
hr4 Redakteurin:
Vera John
Ü-Technik hr:
Hendrik Kirchner
Simon Binnenmarsch
Kirchliche Redaktion:
Pfarrerin Claudia Rudolff
Musik:
Musikalische Gesamtleitung:
Popkantor Matthias Weber
Musikalische Mitwirkende:
Klavier, Orgel und Gesang:
Matthias Weber
Gitarre:
Dr. Thorsten Waap
Gesang:
Paula und Dr. Thorsten Waap
Saxophonics:
Andreas Winter
Marcel Schmidt
Jonas Englich
Christian Winter
Musik und Lieder im Gottesdienst:
"Komm Heilger Geist"
aus dem EG plus Nr. 34
"Darauf vertrau ich"
Text: Matthias Lemme / Melodie: Arne Vogeler
"Schmückt das Fest mit Maien"
aus dem Evangelischen Gesangbuch Nr. 135, die Verse 1, 3 u. 5
"Bolero"
Komponist: Maurice Ravel / Bearbeiter: Christoph Enzel
"Summertime"
Komponist: George Gershwin / Bearbeiter: Art Marshall
"Ein Licht geht uns auf"
aus dem Evangelischen Gesangbuch Nr. 557
"Feuer und Flamme"