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Empathie lernen durch Geschichten
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Empathie lernen durch Geschichten

Dr. Barbara Brüning
Ein Beitrag von Dr. Barbara Brüning, Katholische Journalistin, Autorin und Systemische Familienberaterin, Frankfurt
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Gerade im Moment ist eigentlich Empathie dringend nötig, denk ich mir. Sich einfühlen in Menschen, die nicht genügend Geld haben, ihre Wohnung zu heizen zum Beispiel. Aber wie macht man das, wenn es nicht von selbst geschieht? Neulich hat mir eine Frau in der Beratung erzählt: „Ich kann doch nicht fühlen, was ein anderer fühlt.“ Und deshalb waren ihr die anderen immer fremd. Und sie selbst fühlte sich einsam inmitten von Fremden. „Ich glaube, ich habe keine Empathie, und andere Menschen verstehen mich auch nicht,“ hat sie gesagt.

Geschichten lassen uns mitfühlen

Für mich sind Geschichten eine Quelle von Empathie. Deshalb habe ich ihr eine Geschichte erzählt. Von einer Frau, die ihr ganz ähnlich war. Mit vielen Details wie Farben, Gerüchen und Bildern. In der Geschichte hat die Frau plötzlich ihre Arbeit verloren. Sie ist krank geworden. Ich habe mir Mühe gegeben, alles sehr realistisch und echt zu beschreiben. Und ich konnte direkt sehen, wie meine Zuhörerin ganz dabei war.

Sich selbst „Was wäre, wenn“-Fragen stellen

Ihr ist klar geworden: Ich weiß genau, wie es der Frau in der Geschichte geht. Weil ich das sein könnte. Mein Leben hätte auch ganz anders verlaufen können. Ja, hab ich ihr gesagt: Das ist der Schlüssel zur Empathie. Zu sehen, dass es auch anders sein könnte. Manchmal ist es sinnvoll, mit kleinen Schritten anzufangen, um Empathie zu üben. Sich selbst solche „Was wäre, wenn“-Fragen zu stellen: Was, wenn ich nie eine Schulbildung bekommen hätte? Daneben sind Romane zum Beispiel eine wunderbare Quelle für Geschichten, die spannend sind, weil wir uns ganz mit den Personen identifizieren können.

Die Bibel erzählt Geschichten, die unsere sein könnten

Auch in der Bibel stehen viele solcher Geschichten, von Menschen, die jede und jeder von uns sein könnten. Und deshalb verbinden sie uns über Jahrhunderte und Kontinente hinweg. Die Frau aus meiner Geschichte ist übrigens als eine ganz andere gegangen, als sie gekommen ist. „Ich habe das Gefühl: ganz viele Menschen sind mir eigentlich sehr nah“, hat sie gesagt.

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