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Unselbstverständlich
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Unselbstverständlich

Ein Beitrag von Dr. Christine Lungershausen, Evangelische Pfarrerin, Eschborn
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So vieles halte ich für ganz selbstverständlich, obwohl es das gar nicht ist. Dafür habe ich ein neues Wort gelernt: unselbstverständlich. Unselbstverständlich ist, dass mich jemand auf der Straße mit einem freundlichen Blick grüßt.

Unselbstverständlich ist es, dass ich unseren Kühlschrank das ganze Jahr über mit Gemüse, Obst, Brotaufstrichen und Milch füllen kann. Unselbstverständlich ist es, dass ich abends meinen Mann in den Arm nehmen kann. Unselbstverständlich heißt: Es könnte auch ganz anders sein. Für mich wäre es sehr viel trauriger.

Sogar ich selbst bin nicht selbstverständlich

Mir hilft der Blick auf das, was sich nicht von selbst versteht. Nichts ist selbstverständlich, nicht einmal ich selbst. In der Bibel heißt es in einem Psalm: "Gott, ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele." (Psalm 139,14)

Ich bin wunderbar gemacht. Wie unselbstverständlich, dass jemand so ungebrochen Ja sagen kann zu sich selbst. Und wie unselbstverständlich, dass dieser Mensch Gott dafür dankt.  

Stoßgebete

Mir liegen meistens andere Dinge auf der Seele und Zunge, wenn ich bete. Mehr solche Stoßgebete wie "Pass bitte gut auf meinen Mann auf!", "Behüte meine Mutter und bewahre sie vor Schmerzen!" oder "Gib endlich Frieden, Gott!"

Ich müsste diese Sorgen nicht an Gott richten. Ich könnte sie auch mit mir selbst ausmachen, in mich hineinfressen oder runterschlucken. Stattdessen richte ich sie mit meinen Stoßgebeten an Gott. Dann sind sie raus. Es ist unselbstverständlich, dass ich diese Möglichkeit habe.

Meine Seele will das Helle sehen

Neben dem, was mir zu schaffen macht, gibt es diese Stimme in mir, die betet wie im Psalm: "Gott, ich danke dir, dass ich wunderbar gemacht bin. Unselbstverständlich ist es, ja wunderbar, was du, Gott, gemacht hast. Das erkennt meine Seele."

Meine Seele, das ist ein Teil in mir, der Lust hat, es anders zu sehen als immer nur dunkel. Meine Seele will das Helle erkennen, und sie weiß das Wunderbare zu schätzen.

Besonders jetzt in den vielen Krisen übe ich mich darin: das Unselbstverständliche erkennen. Alles Gute, das mir heute passiert und begegnet, ist – unselbstverständlich. Von Gott wunderbar gemacht. Ich selbst inbegriffen. Und die anderen ebenfalls.

 

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