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Wurzel und Flügel
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Wurzel und Flügel

Ein Beitrag von Dr. Christine Lungershausen, Evangelische Pfarrerin, Eschborn
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Gärtnern ist in: Geranien pflegen, mit Lavendel Bienen verwöhnen und mit Natternköpfen oder Kugeldisteln einen wasserarmen Garten hegen. Menschen kennen sich aus mit Dünger und Halbschatten. Sie tun alles, damit die Pflanzen und Gartenbewohner gut wachsen und leben können. Ich bewundere das.

Kinder hegen und pflegen wie Pflanzen

Gärtnern diente als Vorbild für eine geniale Erfindung: den Kindergarten. Die Idee war, dass man Kinder hegen und pflegen soll so wie Pflanzen in einem Garten. Friedrich Fröbel gründete 1840 in Bad Blankenburg, in Thüringen, den ersten Kindergarten. Kinder sollten nicht nur beaufsichtigt werden, während die Eltern arbeiten mussten. Sondern Kinder sollten wie Pflanzen versorgt, begossen, ins rechte Licht gerückt und gefördert werden, damit sie gut wachsen können.

Friedrich Fröbel erkannte: Kinder brauchen eine ihrem Alter angemessene Bildung

Friedrich Fröbel hat erkannt: Kinder in den ersten Lebensjahren sind keine kleinen Erwachsenen. Sie brauchen eine eigene, ihrem Alter angemessene Bildung. Das war damals revolutionär: Kinder sind eigenständige Menschen. Sie beanspruchen eigene Aufmerksamkeit so wie Pflanzen beim Gärtnern. Das Wort „Kindergarten“ ist ja nach wie vor ein speziell deutsches Wort, für das es keine Übersetzung ins Englische oder Spanische gibt.

Vom Kindergarten zur Kindertagesstätte

Heute spricht man mit guten Gründen eher von der Kindertagesstätte. Die Konzepte sind erweitert worden. Das hat auch damit zu tun, dass es einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder gibt, wenn sie ein Jahr alt sind.

Kita Raupenland

Auch meine Kirchengemeinde in Eschborn hat, wie viele Kirchen, eine Kindertagestätte. Unsere Kita heißt Raupenland. Ähnlich wie das Wort Kindergarten transportiert der Name eine Idee: Die Kita soll ein Ort sein, an dem Kinder alles finden, was sie zum Wachsen brauchen. Wie Schmetterlinge sollen sie flügge werden.

Erzieherinnen und Erzieher helfen Kindern beim Flügge werden

Die Erzieherinnen und Erzieher unterstützen die Kinder darin, sich in ihrem Tempo und mit ihren Ideen zu entwickeln. Sie begleiten sie dabei, wie es am Morgen mit dem Abschied vom Papa leichter geht. Sie stärken die Kinder darin, Kontakt so aufzunehmen, dass andere gerne mit ihnen spielen. Die Erzieherinnen stärken die Kinder, ihre Flügel zu entwickeln, damit sie aus dem sicheren Kokon schlüpfen und frei flattern und freudig in den nächsten Lebensabschnitt hinein fliegen.

Auch Erwachsene sollten sich gegenseitig unterstützen, um ihren Kokon verlassen zu können

Ich wünsche mir das nicht nur für die Kinder, sondern auch für uns Erwachsene: dass wir uns gegenseitig unterstützen, fliegende Schmetterlinge zu werden – egal wie anstrengend der Kampf ist, bis wir aus dem Kokon rauskommen, der Kokon aus zu viel Arbeitslast oder Krankheitserfahrung oder der Kokon, der sich aus Enttäuschung gebildet hat. Irgendwann werden wir wieder fliegen. Und bis dahin stärken wir uns gegenseitig. Wir staunen und lachen miteinander, bis aus der Raupe ein Schmetterling wird.

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