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Seufzen erleichtert
Bild: Pixabay/Emi Lija

Seufzen erleichtert

Helmut Wöllenstein
Ein Beitrag von Helmut Wöllenstein, Evangelischer Pfarrer, Marburg
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Zu Pfingsten wurde in meiner Heimat immer das Schützenfest gefeiert. Tagelang Umzüge, Dicke-Backen-Musik, Tanz, viel Bier. Und am Dienstag gönnte sich das Dorf eine Auszeit. Pfingsten ein Fest der Lebensfreude. Ähnlich wurde es auch schon in Jerusalem begangen, in biblischen Zeiten. Nach der Gerstenernte backte man frisches Brot und braute neues Bier.

Das Leben als Geschenk Gottes feiern

Man feierte das Leben als ein Geschenk Gottes. Auch wir Christen liegen auf dieser Linie. Wir sprechen vom Heiligen Geist, der zu Pfingsten zu uns kam. Und das ist kein religiöses Gespenst, sondern es sind gute göttliche Kräfte. Sie geben uns Leichtigkeit, schenken Ausdauer und Begeisterung.

Manchmal kann man nur seufzen

Was aber, wenn es ganz anders läuft? So wie zurzeit mit dem Krieg. Mit so viel Hass und Zerstörung. Wo sind dann diese göttlichen Kräfte? Die Bibel sagt, sie haben auch eine ganz andere Seite, nicht nur die strahlende. Sie sagt: der Heilige Geist seufzt in uns. Er geht dahin, wo Menschen nichts zu lachen haben, sondern nur noch seufzen können. Viele von uns kennen das aus dem eigenen Alltag. Manchmal seufzt es einfach so aus einem heraus. Du fährst in einer Kolonne, kannst nicht überholen Kilometer weit, bist müde, kommst viel zu spät. Da holst du tief Luft und lässt einen Seufzer los, allein, im Auto. Hört ja keiner. Oder du machst einen Brief auf, eine Mahnung, du hast nicht bezahlt – und kannst auch nicht so gut bezahlen im Moment. Oder eben viel schlimmer, die Diagnose, dass du jetzt mit einer Krankheit leben musst, auf Dauer. Der Heilige Geist seufzt in uns. Oder er seufzt für uns, wenn wir selbst nicht mehr seufzen können – so als würde er für uns beten.

Seufzen ändert was

Manche sagen: "Hör doch auf zu seufzen, ich kann‘s nicht mehr hören. Es ändert doch nichts." – Stimmt das, seufzen ändert nichts? Doch, es ändert etwas. Du weißt wieder, wonach du dich sehnst: So wie es ist, kann es nicht bleiben. Seufzen ist wie ein Protest, nicht laut – aber trotzdem befreiend.

Die göttlichen Kräfte spüren

Wer in einem Chor singt, kennt das vielleicht: Atemübungen Stimmübungen, "… und jetzt seufzen alle, tief und lange, mit viel Luft und laut, und jetzt noch einmal…". Und Du spürst, es gibt Raum in der Brust, es wird dir leichter ums Herz. Du musst vielleicht sogar lachen, über deinen fetten Seufzer und über all die anderen, die seufzen. Und du atmest anders, und hast eine andere Stimme zum Singen, fröhliche Lieder, oder ernste - egal. Pfingsten gibt uns diesen Impuls: Mal richtig seufzen, heute. Die göttlichen Kraft ist mit dir, und mit allen, die es schwer haben.

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