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Würzbüschel
Bild: Pixabay

Würzbüschel

Eva Reuter
Ein Beitrag von Eva Reuter, Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen
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Auf meinem Fensterbrett und in meinem Garten wachsen Kräuter, neun verschiedene Sorten, um genau zu sein. Ich bin also gut gerüstet für den heutigen Tag. Heute ist „Maria Himmelfahrt“ – oder wie es richtig heißt: „Aufnahme Marias in den Himmel“. Seit dem 7. Jahrhundert feiert die katholische Kirche am 15. August dieses Fest.

Es geht zurück auf die Legende von der Grabesöffnung Mariens: Statt des Leichnams sollen die Jünger Jesu dort Rosen und Lilien gefunden haben, und vor dem Grab wuchsen angeblich die Lieblingskräuter der Gottesmutter.

Es ist eines der Feste, die nur in manchen Regionen Feiertag sind und um die sich – besonders in Süddeutschland – viel Brauchtum rankt. Dazu gehört auch der Brauch, einen „Würzbusch“ oder „Würzbüschel“ zu binden. Aus mindestens sieben verschiedenen Kräutern soll ein Strauß bestehen. Es können aber auch neun, zwölf oder gar 77 Pflanzen sein. Im Gottesdienst werden die Sträuße gesegnet. Danach finden sie ihren Platz im Haus. In den Stuben der Alpenländer oft im „Herrgottswinkel“.

Die Zusammenstellung der Pflanzen hat eine symbolische Bedeutung. Klassisch bilden die Mitte des Straußes Rose (für Maria) undLilie (für Josef). Rosmarin soll zum guten Schlaf verhelfen, Salbei zu Wohlstand, Weisheit und Erfolg. Wermut verspricht Kraft, Mut und Schutz, Minze Gesundheit. Arnika schützt gegen Feuer und Hagel. Für Glück und Liebe steht die Kamille, Getreide für das tägliche Brot. Manchen Strauß schmücken außerdem WildeMöhre, BasilikumundSpitzwegerich.

Mich berührt diese alte Tradition. Sie zeigt mir auf der einen Seite wieder einmal, wie das Christentum alte Bräuche und altes Wissen aufgenommen hat. Auf der anderen Seite finde ich es schade, dass altes Wissen auf diese Weise jahrelang als „Folklore“ abgetan wurde.

Denn tatsächlich haben die Pflanzen in den Würzbuschen nicht nur symbolische Bedeutung, sondern sind Nutz- und Heilpflanzen. In der Legende von der Grabesöffnung steckt also auch die Legitimation für dieses Wissen. Und es scheint mir kein Zufall, dass die Heilkräuter mit Maria, einer Frau, verbunden sind.

Schon sehr früh in der Menschheitsgeschichte waren es die Frauen, die Wissen über Heil- und Würzpflanzen erworben haben und von Generation zu Generation weitergegeben haben. Ich finde es gut, dass dieses Wissen heute wieder mehr Beachtung findet. Im Zusammenhang mit den Initiativen zur Achtsamkeit und Nachhaltigkeit besinnen sich viele Menschen wieder auf die Kräfte der Natur.

Dabei kommt es natürlich auf das rechte Maß an: Ich kann mit einem Thymian-Tee keine Lungenentzündung heilen, aber gegen Husten hilft er. Und Arnika hilft weniger gegen Hagel als gegen Prellungen und Verstauchungen. 

Mich erinnert die Kräuter-Tradition deswegen zum heutigen Tag daran: Altes Wissen ist nicht einfach veraltet. Und vor allem: Wunderbare Heilkräfte, die stecken oft gerade in unscheinbaren Dingen. Gottes Schöpfung ist eine wunderbare Schatzkiste.

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