Zum Verwechseln ähnlich…
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Zum Verwechseln ähnlich…

Dr. Paul Lang
Ein Beitrag von Dr. Paul Lang, Diakon und Lehrer für Latein, Musik und Religion in Amöneburg

Vor einiger Zeit brachte eine Nachrichtenagentur in den USA eine Geschichte in die Presse. Sie hat mich sehr berührt. Hauptpersonen sind zwei Fünfjährige: Jax und Reddy.
Jax soll, beschließen seine Eltern, zum Friseur gehen. Seine Haare sind zu lang geworden. Das findet Jax erstaunlicherweise richtig gut. Der Grund für seine Begeisterung: Er hat sich einen Plan ausgedacht. Und da kommt Reddy ins Spiel. Genauso alt wie Jax, genauso groß – oder besser klein. Vor allem aber: Jax und Reddy sind beste Freunde. Reddy trägt seine Haare ultrakurz. So will Jax sie künftig auch haben. Das macht der Friseur dann auch wunschgemäß.
Dann wird es spannend: Mit Verschwörermiene kommen die beiden am nächsten Morgen zusammen zur Vorschule. Sie sind sicher: Ihre Lehrerin wird sie beide mit der identischen Frisur heute nicht auseinanderhalten können. Sonst gibt es keine nennenswerten Unterschiede zwischen ihnen beiden, glauben sie.
Die Story klingt zwar nett. Aber was sie für eine Tageszeitung berichtenswert macht, erschließt sich nicht von selbst. Erst ein Blick auf ein Bild der beiden, das die Zeitung zu ihrem Bericht veröffentlicht hat, bringt Licht ins Dunkle. Auf dem Bild sieht der Betrachter nämlich, dass Jax eine weiße Hautfarbe hat, Reddy eine dunkle. Wie kann das sein? Versteht oder sieht Jax denn diesen Unterschied nicht? Merkt er nicht, wie unterschiedlich er und sein Freund aussehen – ganz unabhängig von Haarschnitt, Größe und Kleidung?
Heute ist der Tag der Migranten. Die UNO hat ihn im Jahr 2000 eingeführt. „Was macht einen Menschen aus?“, kann dieser Tag fragen. Die Hautfarbe jedenfalls nicht, versichert mir die Episode von Jax und Reddy. Da gebe ich den beiden völlig Recht. Wenn es nicht die Hautfarbe ist, die den Menschen ausmacht, dann wohl auch nicht seine Herkunft, sein Heimatland, seine Familie oder Abstammung.
Ob Menschen zueinander passen oder nicht, hat mit ihrem Denken zu tun und ihrer Haltung. Seelenverwandtschaft nennen wir es, wenn Menschen ähnlich empfinden. Dass Menschen Freunde werden können, hängt von ihrer Einstellung ab.
„Was muss ich tun, um das Leben zu erlangen?“, fragt ein junger Mann einmal Jesus, berichtet das Evangelium. „Halte die Gebote“, antwortet der. Und auf das beharrliche Nachfragen des jungen Mannes hin präzisiert er als oberstes Gebot, Gott zu lieben, aber ebenso den Nächsten wie sich selbst.
Jax und Reddy haben verstanden, was Jesus mit Nächstenliebe meint: Sie sehen, wie ähnlich sie sich in ihrem Wesen sind. Sie freuen sich darüber und kommen mit entwaffnendem Charme gar nicht auf die Idee, dass jemand anderes nicht genauso denken könnte wie sie. Im anderen mich selbst sehen, das bewirkt, bin ich sicher, dass Menschen überall nicht Fremde sind, sondern zuhause.
Die Lehrerin von Jax und Reddy übrigens, berichtet die Presse, soll mitgespielt haben bei dem Streich der beiden. Sie hat so getan, als ob sie auch keinen Unterschied sehen würde. Vielleicht war sie sogar so weise, zu bemerken, dass die unterschiedliche Hautfarbe jedenfalls keinen nennenswerten Unterschied zwischen den beiden darstellt.

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