Erschöpfte Schöpfung
Die Tanne vor unserem Haus ist kaputt. Bei jedem Schritt aus der Haustür konnte ich mich an ihr freuen. Die Amsel hat im Frühling darauf gesungen, im Herbst hingen neue Zapfen dran, und nach einem Gewitter leuchtete hinter ihr der Regenbogen. Die Hitze hat den Baum voriges Jahr geschwächt und der Borkenkäfer hat ihm den Rest gegeben. Und das nicht nur bei uns, sondern auf vielen Grundstücken und erst recht im Wald. Überall sieht man jetzt diese braunen, struppigen Stellen. Tote Fichten, Lärchen, Tannen. All diese Bäume fallen aus mit ihrer wichtigen Klimaschutzfunktion. Forstleute sind am Verzweifeln: das Holz kann gar nicht schnell genug gefällt und verarbeitet werden. Und demnächst muss man dann das für die Bauwirtschaft wichtige Fichtenholz von weit her importieren. Es ist dramatisch. Die Folgen der Klimaveränderung kommen näher. Es sind nicht mehr nur die steigenden Meeresspiegel irgendwann, oder die wachsenden Wüsten in Afrika. Die Zerstörung kommt vor der Haustür an. Hitze, Dürre, Wassermangel, der Verlust von Lebensraum.
Heute am 6. September ist der Ökumenische Schöpfungstag. Evangelische, Katholische und andere Christen kommen zusammen. Sie feiern Gottesdienste und überlegen, was ihr Beitrag ist zur Erhaltung der Schöpfung. Da sind sich die Kirchen so einig wie sonst kaum. Die Natur leidet. Und wir müssen uns drum kümmern. Das ist Thema in den nächsten Wochen bis zum Erntedankfest. Dabei geht es auch um das Danken: Dass wir leben von Voraussetzungen, die wir nicht gemacht haben. - Dank auch an die Menschen, die dafür arbeiten. Wir leben ja bei uns nicht im Dschungel, sondern in einer Kulturlandschaft. Die muss gepflegt und bewirtschaftet werden. Danke allen, die unsere Wälder pflegen. Danke den Profis in der Forstwirtschaft. Und auch den Profis in der Landwirtschaft, den Ökobauern und den herkömmlichen. Sie haben heute keinen leichten Stand, produzieren aber doch den Löwenanteil unserer Nahrungsmittel zu Preisen, die wir zu zahlen bereit sind. Und danke allen, die dafür kämpfen, dass jetzt etwas anders wird: Greenpeace, BUND, NaBu. Heute am Freitag wieder: Fridays for Future. Die Bewegung hat recht: Wir müssen uns ändern, schneller und konsequenter als bisher. Politiker müssen Entscheidungen treffen. Auch unbequeme. Und wir sollten uns nicht gezwungener Massen daranhalten, sondern aus Überzeugung. Eine intakte Schöpfung ist nun mal die Voraussetzung für alles. Also, frei nach Luther: Damit die Welt morgen nicht untergeht, werde ich jetzt im Herbst wieder ein neues Bäumchen vor die Haustür pflanzen.