Füße berühren

Füße berühren

Christoph Wildfang
Ein Beitrag von Christoph Wildfang, Evangelischer Pfarrer, Arnoldshain

Ich war in Indien – und habe dort Freunde besucht. In Indien tauschen Menschen Gesten aus, die manchmal schön und manchmal für mich ganz schön fremd sind. Schön ist es, bei der Begrüßung die Handflächen vor der Brust zusammenzulegen, sich anzuschauen und dann einen Gruß zu sprechen. Man huscht nicht so aneinander vorbei, sondern nimmt den anderen einen kurzen Moment wahr. Es tut auch gut, beim Eintritt in ein Haus als Gast eine frische duftende Blumenkette umgehängt zu bekommen.

Eine weitere Geste habe ich kennengelernt – und sie hat mich neugierig gemacht. Sie wird an der Stelle gemacht,  wo wir uns die Hände schütteln oder kurz freundlich nicken. Mein indischer Freund Kuldeep dagegen beugt sich bei der Begrüßung ganz tief hinab und berührt kurz mit der Hand die nackten Füße seines Vaters. Er macht das so auch bei Freunden oder bei seinen Schwestern. Diese Geste dauert nur ganz kurz, aber mich hat sie beeindruckt.

„Ich bitte meinen Vater, meine Freunde, meine Schwestern um Segen,“ hat er mir später erklärt. Natürlich bedeutet das Berühren der Füße eines anderen Menschen auch Respekt vor diesem Menschen. Interessant ist, welche Geste der macht, der die Berührung empfängt. Wer begrüßt wird, indem die Füße kurz berührt werden, antwortet mit einer segnenden Geste. Kuldeeps Vater hält über seinem Kopf kurz beide Hände. Berührt seinen Kopf für einen kleinen Moment. Das gleiche machen seine Schwestern, als deren Füße berührt werden. Tief beugt sich mein indischer Freund hinab. Während er das tut, halten sie beide Hände über seinen Kopf und helfen ihm dann rasch hoch. Auch dieses Aufhelfen gehört immer dazu.

Diese Geste des Gebens und Empfangens hat mich innerlich berührt. Eine segnende Geste, wenn ich Menschen treffe. Wie könnte das bei uns aussehen? Ich denke darüber nach. Im alten lateinischen Gruß „Salve“ steckt ja auch der Wunsch drin nach Segen und Heil. Nur sprechen wir kein Latein, sondern Deutsch. Für mich könnte es ein Wort des Segens sein. Oder nur ein stiller Wunsch, der das Händeschütteln oder das Kopfnicken begleitet. Und vielleicht gibt mir ja auch jemand den Segen zurück. Vielleicht einfach: „Sei gesegnet!“

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