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Du bist ein Gott, der mich sieht!
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Du bist ein Gott, der mich sieht!

Dr. Ursula Schoen
Ein Beitrag von Dr. Ursula Schoen, Prodekanin, Evangelisches Stadtdekanat Frankfurt

Du bist ein Gott, der mich sieht! Dieser Ausruf wird von Hagar, einer ägyptischen Sklavin, überliefert. Sie ist auf der Flucht durch die Wüste vor ihrer Herrin Sara. Beide Frauen sind Teil einer dramatischen Familiengeschichte, die im 1. Buch Mose überliefert wird.

Folgendes hatte sich ereignet: Gott hatte Sara, der Frau des Stammvaters Abraham, trotz ihres hohen Alters einen Sohn verheißen. Doch die Schwangerschaft läßt auf sich warten. Schließlich entscheidet sich Sara ihrem Mann auf andere Weise zu einem Sohn zu verhelfen. Ihre Sklavin Hagar soll die Mutter des Kindes werden. Als Hagar schwanger wird, wachsen die Spannungen zwischen den beiden Frau. Hagar nimmt Sara nicht mehr ernst! Sie selbst ist nun die Stärkere. Sara fordert von Abraham Hagar in ihre Schranken zu weisen Doch Abraham findet, dass Sara das selbst übernehmen kann. Schließlich ist sie ja die Herrin und die andere die Sklavin. Sara lässt Hagar ihre Macht deutlich spüren. Am Ende flieht Hagar in die Wüste. Wohin weiß man nicht!        

An einem Brunnen findet sie der Bote Gottes. Die Worte „Brunnen“ und „Auge“ sind im Hebräischen nahe verwandt. Er verheißt ihr, dass ihr Sohn einmal der Stammvater einer großen Nachkommenschaft werden wird. Da ruft Hagar aus: Du bist ein Gott, der mich sieht!“

Tragisch sind die Verwicklungen, von denen in der Sara-Hagar-Geschichte berichtet wird. Unausweichlich scheinen die Folgen, die sich aus Liebe und Leidenschaft, Verletzungen und Verzweiflung, aus festgelegten Rollen und unklaren Erwartungen entwickeln. Sie setzen Entwicklungen in Gang, an denen Menschen zu zerbrechen drohen.

Wir alle können aus unserem eigenen Leben Sara-Hagar-Geschichten erzählen.  Ein Kind kämpft in der Familie um Anerkennung und spürt, dass es nie so wie der ältere Bruder geliebt werden wird! Eine Ehe zerbricht, weil die Ehefrau in den Augen der Schweigermutter nicht bestehen kann.

Der Blick von Menschen auf Menschen ist niemals ein völlig freier Blick. Immer blicke ich auf andere in Bezug auf meine eigenen Erfahrungen und Bedürfnisse. Daraus entstehen tragische Verwicklungen aber auch große Erfahrungen wie Liebe, Freundschaft und Fürsorge. Du bist ein Gott, der mich sieht! Gott hat Hagar nicht aus den Augen verloren. Er hat sie mit seinen Augen angesehen. Gott blickt auf uns, wie wir von ihm gedacht sind: als zur Lebensfülle berufene Menschen. Diesen Blick Gottes vergegenwärtigen wir am Ende jedes Gottesdienstes mit dem Segenswort:

Der Herr segne dich und behüte dich
Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig
Der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.

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