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Noch der kleinste Teil ist heilig
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Noch der kleinste Teil ist heilig

Michael Becker
Ein Beitrag von Michael Becker, Evangelischer Pfarrer, Kassel

Es ist ein Skandal, obwohl niemand darüber redet. Und eine Schande ist es auch. Auch heute werden wieder richtig gute Lebensmittel weggeworfen; einfach so. Überall, in jedem Haushalt. Und nicht nur eine Handvoll. Nein, tonnenweise. Obwohl alle diese Lebensmittel noch richtig gut sind, fliegen sie in die Mülltonne. Weil sie so komisch aussehen, weil sie bald abgelaufen sind, nicht mehr so gut schmecken oder man einfach viel zu viel eingekauft hat. Einzelne machen das so, viele Gaststätten und Supermärkte auch. Jeden Tag. Riesige Berge kommen da zusammen. Das macht man nicht, sagte meine Oma immer. Wir wären froh gewesen, wenn wir so viel gehabt hätten, als wir Kinder waren. Aber heute sagen die Omas so etwas vielleicht nicht mehr. Dafür sagen andere etwas: Uns geht’s einfach zu gut, sagen die, die unseren Müll untersuchen. Kaum hat ein Apfel einen Fleck, wird er weggeworfen. Wenn die Paprika eine Runzel hat, wirft man das ganze Päckchen weg – vom Kühlschrank in den Mülleimer. Ist zu viel Brot im Haus und man hat Lust auf frisches Brot, wirft man das alte eben einfach in die Biotonne. Das macht man heute so, sagen die, die es wissen müssen. Sogar die Verbraucherministerin sagt das und ist erschrocken. Geht es uns wirklich so gut?

Nein, aber viele sind zu gedankenlos, fürchte ich. Es wird falsch eingekauft und es wird schlecht gewirtschaftet. Vielen geht es ja gar nicht gut, aber die werfen auch weg, manchmal gedankenlos. Und die, die nichts mehr haben, müssen dann in den Mülleimern suchen. Oder zu den Tafeln gehen, wo es Lebensmittel ganz billig gibt. Die sind ja ein Glück, diese Tafeln. Da können sich Arme mal satt essen. Von dem, was übrig bleibt; was von unseren Tischen oder aus unseren Kühlschränken fällt. Trotzallem aber: Es bleibt eine Schande.

Es muss aber nicht so bleiben. Jeder einzelne muss sich hier verändern. Nicht nur um der Armen willen, sondern auch um Gottes willen. Nahrung ist nicht einfach nur zum satt werden, sondern viel mehr. Nahrung ist ein Geschenk, eine Gabe Gottes. Nahrung ist kostbar. Damit darf man nicht umgehen wie mit einer alten Zeitung oder leeren Batterien. Jedes Stück Brot, jedes Stück Butter und jeder Apfel sind ein Geschenk. Es sieht so selbstverständlich aus, wenn man die Brotberge in der Bäckerei sieht oder die Kisten voller Tomaten und Salatgurken. Aber es ist nicht selbstverständlich. Es ist jeden Tag wieder eine Gabe, für die Menschen lange und hart arbeiten mussten. Ich fürchte immer, dass es Gott weh tut, wenn er unsere Lebensmittel auf dem Müll sieht, als hätten wir seine Schöpfung weggeworfen. Das muss ja nicht sein, oder? Nicht nur die eine große Erde, auch noch ihr kleinster Teil ist heilig.

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