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Schneller, langsamer, näher!

Schneller, langsamer, näher!

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt

Citius. Altius. Fortius. Das hört sich an wie ein Zungenbrecher. So klingt das olympische Motto auf Latein. Schneller, höher, stärker. Im Deutschen wurde daraus „schneller, höher, weiter“. Es war ausgerechnet ein Pfarrer, der diese Devise für die olympischen Spiele der Moderne aufbrachte. Der Dominikanerpater Henri Didon war Rektor eines Schülerinternats in Paris am Ende des 19. Jahrhunderts. Er wollte seine Schüler fit fürs Leben machen. Da gehörte Sport unbedingt dazu. Er hat sie angefeuert: Strengt euch an! Schneller, höher, stärker. Das muss euer Antrieb sein in allem, was ihr macht.

Ein Christ und Pfarrer, der seine Schüler auf Leistung trimmt? Der sie zu Rekorden und Wettkampf anstachelt? Schneller, höher, stärker – das heißt doch auch: Der andere ist mein Konkurrent. Ich muss ihn aus dem Feld schlagen. Wie passt das zur christlichen Nächstenliebe und zu „die andere Wange hinhalten“?

Nun, Pater Didon hat Stärke nicht so verstanden, dass man den anderen mit allen Mitteln besiegen muss. Wirklich stark ist für ihn, wer nicht aufgibt, auch wenn er mal scheitert. Pater Didon war Realist: Ohne Anstrengung kann man nichts erreichen, nicht für sich selbst und nicht für andere. Ich brauche Charakter, Haltung und Durchhaltevermögen, wenn ich etwas Gutes auf die Beine stellen will. Das fällt nicht vom Himmel. Dafür muss ich trainieren.

Die Bibel kennt übrigens ganz verschiedene Disziplinen, für die ich mich anstrengen muss. Da geht es nicht nur um „schneller, höher, weiter“. Manchmal ist Langsamkeit gefragt, und auch die fällt nicht vom Himmel. Hohe Ziele klingen in der Bibel zum Beispiel so: „Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn.“ (Jakobus 1,19) Da muss jemand wie ich, der gerne viel und engagiert diskutiert und dabei schon mal aufbrausen kann, kräftig trainieren. Aber sich in Sachen Geduld und Achtsamkeit mal so richtig anzustrengen und besser zu werden, das ist mit Sicherheit gesund – für mich und vermutlich auch für meine Mitmenschen.

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