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Afrika nicht vergessen…!
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Afrika nicht vergessen…!

Stefan Herok
Ein Beitrag von Stefan Herok, katholischer Pastoralreferent i.R. in der Pfarrei St. Bonifatius, Wiesbaden

Guten Morgen!

Wo würden Sie eine Straße mit dem Namen „Rue Ville de Wiesbaden“ vermuten?

Fast 6000 Kilometer muss man von der hessischen Landeshauptstadt aus in Richtung Süden fahren. Man verlässt Europa und durchquert Afrika bis fast zum Äquator. Ja, in Ouagadougou, der Hauptstadt des westafrikanischen Landes Burkina Faso gibt es seit 2017 tatsächlich eine Straße, die den Namen Wiesbadens trägt. Aus Dankbarkeit für fast 20 Jahre Hilfe von Christen aus eben dieser Stadt…

Meine Sonntagsgedanken gehen am heutigen 3. Juni intensiv nach Afrika. Es hat mehrere Gründe, dass ich Ihre Aufmerksamkeit an diesem frühen Sonntagmorgen gerne ins ferne Afrika und damit auf unseren „Nachbarkontinent“ lenken möchte. Und es betrifft viele Orte und Geschichten.

Auf meinem christlichen Kalender steht für heute der Gedenktag von Karl Lwanga und seinen Gefährten. 22 junge Männer aus Uganda. Sie waren dort Pagen am Königshof. Um den 3. Juni 1886 herum starben sie alle den Märtyrertod. Sie hatten damals ihrem frisch erworbenen christlichen Glauben nicht abschwören wollen.

Das ist 130 Jahre her. Aber in vielen Ländern Afrikas ist das Leben heute mindestens so schwer und gefährlich wie damals. Auch für Christen, vor allem aber für bitterarme, unterentwickelte Bevölkerungsgruppen und für politisch Verfolgte. Darauf möchte ich aufmerksam machen! Ich gebe hier heute meine Stimme den Freunden und Bekannten, den Kolleginnen und Kollegen, die sich auf vielfältige kirchliche Weise im Bistum Limburg für Menschen in Afrika einsetzen.

Anfang Mai waren drei meiner Kolleg*innen zu einer Solidaritätsreise in Kamerun. Wir haben dort ein Partnerbistum. Der Norden Kameruns wird immer wieder vom Terror des islamistischen Boko Haram erschüttert. Seit anderthalb Jahren schwelt jetzt im englischsprachigen Südwesten ein gewalttätiger Konflikt zwischen Separatisten und der Regierung. Er hat schon viele Todesopfer gefordert. Meine Kolleg*innen haben hautnah miterlebt, wie zwei katholische Priester von den Aufständischen entführt wurden, um auf die Diskriminierungen in diesem Landesteil hinzuweisen. Sie kamen nur unter dem Versprechen wieder frei, dass die kirchliche Schule, die sie leiten, geschlossen wird. Damit wollen die Aufständischen die Regierung angreifen und die Gesellschaft schwächen. Die Regierung reagiert brutal und hat kein Interesse daran, dass die Weltöffentlichkeit näher hinschaut und auf Vermittlung und Versöhnung drängt.

Viele Menschen, die sich selbstlos für Afrika engagieren, sehen das als ihre soziale Aufgabe und als christliche Verpflichtung. Nächstenliebe am fernen Menschen in Not. Das finde ich stark! Inzwischen hat diese Hilfe natürlich auch den Charakter der aktiven Bekämpfung von Fluchtursachen in den Herkunftsländern. Sie ist also längst nicht mehr nur selbstlos, sondern wird im Rahmen der Flüchtlingsproblematik immer wichtiger.

Tatsächlich kann die notwendige Hilfe für Entwicklungsländer inzwischen direkt bei uns zuhause beginnen! Das zeigt mir eine spannende kirchliche Unternehmung aus Hochheim am Main, von der ich gleich erzählen möchte…

Mit kulturellen Kontakten nach Kenia betreiben die kommunale und die katholische Gemeinde von Hochheim am Main ihren Prozess, um „Fairtrade-Town“ zu werden. Fair gehandelte Produkte aus der „einen Welt“, gerechte Preise, ökologische Nachhaltigkeit. Insgesamt fünf Kriterien muss eine Kommune erfüllen, um den Titel „Stadt des fairen Handels“ tragen zu dürfen. Damit stärken wir die Menschen in den Entwicklungsländern ganz direkt. Ausbeuterische Systeme des Zwischenhandels werden so umgangen. Auch diese wirtschaftspolitische Haltung verstehen wir als christliche Pflicht. Das „Hoffnungs-Theater“ aus Nairobi war im Mai in Hochheim zu Gast, um mit Spiel- und Tanzszenen rund um fairen Handeln und Klimaschutz den Hochheimer Weg zur „Fairtrade-Town“ zu unterstützen.

Und gleich ein nächstes Eine-Welt-Kirchenprojekt hinterher:

Was haben unsere Mobiltelefone mit dem langjährigen Bürgerkrieg im Kongo zu tun?

Seit einem Jahr unterstützen viele in unserem Bistum, besonders aber die Kommune und die christlichen Gemeinden der Stadt Limburg das Projekt „Mein altes Handy für Familien in Not“. Im Mai 2017 war der kongolesische Erzbischof Maroy bei uns zu Gast. Er führt in seiner Heimat einen politischen Kampf, der ihm immer wieder Morddrohungen einbringt.

Die Republik Kongo gehört zu den rohstoffreichsten Staaten der Welt. Im Osten des Landes tobt seit Jahrzehnten ein Krieg mit schweren Menschenrechtsverletzungen wie Massenvergewaltigungen und Vertreibungen. Rebellen erobern gezielt Gold- und Coltan-Vorkommen, um ihre Konflikte mit dem illegalen Verkauf zu finanzieren. Die Rohstoffe landen über dubiose Wege in Smartphones und Mobiltelefonen. Erzbischof Maroy prangert die Menschenrechtsverletzungen und die illegalen Geschäfte in seinem Land lautstark an. Das Leid der Zivilbevölkerung, so sagt er, werde durch diesen Rohstoffkrieg ständig größer. Auf seiner Europareise hat er deswegen auch die Rolle der Europäischen Union thematisiert. Sein Appell fordert die Gemeinschaft auf, eine Sorgfaltspflicht für die Lieferketten bei Konfliktmineralien einzuführen. Die EU dürfe sich nicht weiter daran beteiligen, durch Achtlosigkeit Bürgerkriege in Afrika mitzufinanzieren. Das Europaparlament arbeitet derzeit an einem entsprechenden Gesetz.

Zur Unterstützung dieser Politik sammeln wir in vielen unserer Kirchen alte Handys. Die Rohstoffe können recycelt werden. Mit dem Erlös dieser Aktion unterstützen wir Bürgerkriegsopfer im Kongo.

Ach ja, gleich muss ich noch erzählen, wofür Wiesbadener Christen in der Hauptstadt von Burkina Faso mit einer eigenen Straße geehrt werden…

Werner Bardenhewer ist – wenn man ihn erlebt - unglaubliche 89 Jahre alt und war früher katholischer Stadtpfarrer in Wiesbaden. Seit 20 Jahren ist er die noch immer munter treibende Kraft der „afrika action – Freundeskreis Wiesbaden“. Mit ihren christlich motivierten Spendenaktionen gründen sie derzeit die sechste Augenklinik für die Länder Mali, Niger und Burkina Faso. Gerade im Sahel ist die Gefahr von Augenkrankheiten sehr groß. Eine erfolgreiche Behandlung ist aber mit - für unsere Verhältnisse - vergleichbar geringen Mitteln zu erreichen. Die „afrika-action“ fördert ihre Kliniken so, dass sie in die Selbständigkeit entlassen werden können. Darauf ist man besonders stolz. Außerdem sorgt sie dafür, dass die Einrichtungen durch selbst ausgebildete, einheimische Kräfte betrieben werden können. Klasse – oder!?

Diese vielfältigen Afrika-Kontakte in Sachen Entwicklungshilfe sind übrigens bei weitem keine „Einbahnstraße“! So wie die Menschen in den Ländern dort wirtschaftlich, medizinisch und bildungsmäßig unsere Unterstützung brauchen, so sind wir in Deutschland inzwischen ein religiöses Entwicklungsland!

Die katholische Kirchengemeinde Heilig Kreuz in Weilburg finanziert zum Beispiel gerade ein Brunnenprojekt für den kleinen Ort Musombe in Tansania. Sie engagiert sich dort, weil sie so dankbar ist! Es ist nämlich die Heimat von Pater Robert Makanja. Der afrikanische Priester unterstützt seit einigen Jahren die Seelsorge in Weilburg. Aus eigenen Kräften haben wir weder genügend Geistliche, noch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Seelsorgedienst. Eine solche Geschichte könnte ich für viele Orte erzählen. Im Bistum Limburg sind zurzeit 19 Priester aus Afrika tätig, 38 aus Indien und noch mal 9 aus Polen. Das ist für die kulturellen und sprachlichen Aspekte von Verkündigung zwar nicht immer einfach, aber es ist uns trotzdem eine große Hilfe: geistliche Entwicklungshilfe für dasMissionsland Deutschland!

Von den 22 jungen Märtyrern des 3. Juni über die Handyrohstoffe und die „Stadt des fairen Handels“ bis zu den Augenkliniken und zu den Missionaren, die hier bei uns ihren Dienst tun…

Wenn meine Gedanken Sie ansprechen, dann finden Sie sicher auch in Ihrer Nähe eine Sammelstelle für alte Handys oder eine andere unterstützenswerte Aktion.

Vergessen wir Afrika nicht!

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