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Vom rechten Beten
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Vom rechten Beten

Ein Beitrag von Janine Knoop-Bauer, Evangelische Pfarrerin, Darmstadt

Jesus erzählt gerne. Eine seiner Geschichten handelt von einem armen Mann und seiner Frau. Sie wohnen in einer kleinen Hütte. Einmal bekommen sie spät abends Besuch. Der Gast ist weit gereist und braucht dringend eine Stärkung – so gebietet es die Gastfreundschaft. Brot brauchen sie und etwas zu trinken. Aber es ist nichts mehr im Haus. Da macht sich der Mann auf zu seinem Nachbarn. Mitten in der Nacht klopft er dort. Der Nachbar öffnet zuerst nicht die Türe, aber der Mann bleibt hartnäckig. Mit Erfolg. Der Nachbar öffnet schließlich doch und gibt dem Bittenden Brot und Wasser für den Gast.

Jesus antwortet mit dieser Geschichte auf die Frage, wie man richtig beten soll. Ich verstehe ihn so, dass wir hartnäckig sein sollen beim Beten. Wir brauchen keine Scheu davor zu haben, Gott mit unseren Anliegen zu bedrängen. Wir dürfen bei Gott anklopfen zu jeder Tages- und Nachtzeit. Und wir dürfen darauf hoffen, dass Gott unsere Gebete erfüllt. Das finde ich schön. Aber trifft das auch zu?

Wie oft bitte ich Gott, dass er meine Bitten für mich selbst und für andere erfüllt? Das Vater unser, das wohl am häufigsten gesprochenen Gebet des Christentums, ist voller Bitten: Dein Reich komme! Dein Wille geschehe! Erlöse uns von dem Bösen! Überall auf der Welt beten Menschen mit diesen Worten. Aber dennoch sehe ich nicht oft, dass sich diese Wünsche auch erfüllen.

Und wie ist es, wenn sich zwei Bitten ausschließen? Beten nicht alle Teilnehmer eines Wettkampfes um den Sieg und doch kann nur eine Seite gewinnen. Gott erfüllt nicht alle Wünsche. Alle Menschen, die beten, machen diese Erfahrung. Auch Jesus selbst. Als er sich am Abend vor Karfreitag in einen Garten zum Gebet zurückzieht, da bittet er Gott: „Wenn es geht, so lass diesen Kelch an mir vorüber gehen!“ Diese Bitte hat sich nicht erfüllt. Jesus wurde gefangen genommen und hingerichtet.

Und doch war sein Gebet nicht wirkungslos. Jesus ist nach dem Gebet aktiv seinen Weg zu Ende gegangen. Er hat sich der Aufgabe gestellt, die vor ihm lag, und ist ihr nicht ausgewichen. Das Gebet hat ihm dabei geholfen. So ist das Beten vielleicht vor allem eine Möglichkeit der inneren Klärung. Wenn ich bete, setze ich mich mit meinen Ängsten und Wünschen auseinander. Und zwar nicht im Selbstgespräch, sondern mit Gott als Gegenüber.

Wenn ich mir klar darüber werde, wovor ich mich fürchte, dann ist das oft schon der erste Schritt, um mit meinen Ängsten anders umzugehen. Sie sind dadurch nicht verschwunden, aber schränken mich vielleicht weniger ein.

Wenn ich mir bewusst mache, was ich mir und anderen am meisten wünsche, dann hilft mir das, die Dinge in meinem Leben richtig zu gewichten. Es hilft mir, das Wichtige vom weniger Wichtigen zu unterscheiden. Dadurch sind nicht alle Wünsche gleich erfüllt, aber es werden Energien frei, die mich ihrer Erfüllung näher bringen können. Beten kann dem Leben Richtung geben. Nicht alle meine Bitten werden erfüllt, aber vieles, was mich bewegt, wird klarer.

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