In diesen Tagen des Schreckens
Wenn ich Sie heute um etwas bitten darf, dann dies: Bleiben Sie Mensch, bleiben Sie menschlich. Ich hoffe das auch von mir. Dass ich nicht nur wütend werde, nicht zu ängstlich bin oder andere mit schiefem Blick ansehe. Ich weiß, das ist schwer. Die Schrecken sind einfach zu groß, wenn ich an die Taten im Zug bei Würzburg oder an den Amoklauf in München denke. Junge Männer, die aus ihrer Ohnmacht heraus morden. Sich zu bösen Helden machen, weil ihnen sonst nichts mehr einfällt für ihr Leben. Männer, die voller Wut sind und sich nur noch rächen wollen. Das ist furchtbar.
Gerade deswegen bitte ich Sie und mich: Bleiben wir menschlich. Achtsam statt wütend; hilfsbereit statt verschlossen; hörend statt wissend. Ich habe kein Verständnis für die Mörder, will aber auch keine blinde Wut pflegen auf alles, was nach Ausländer aussieht. Ich verstehe die Taten nicht, will aber auch nicht an Rache denken. Ich will menschlich bleiben. Und will, wenn es geht, hinter der Wut anderer noch den Schmerz fühlen, der solch eine Wut hervorbringt.
Der deutsche Philosoph Immanuel Kant (1724 – 1804) hat geschrieben: In schwierigen Zeiten gibt es eine gewisse Pflicht zur Zuversicht. Das ist schwer, wenn der Schmerz groß ist wie bei Angehörigen. Für uns als entfernte Zeugen ist es hilfreich, die Zuversicht zu behalten. Sich nicht beherrschen zu lassen von Abscheu, sondern nüchtern zu bleiben, überlegt. Zuversicht heißt: das Vertrauen in Menschen nicht aufgeben: die Freunde, die Familie, die Nachbarn und Kollegen. Zuversicht heißt: sich im Gebet entlasten zu können und sich das Rätsel, das Gott oft ist, nicht verschweigen. In schwierigen Zeiten gibt es eine gewisse Pflicht zur Zuversicht. Darum bitte ich Gott für Sie und für mich.