Von der Schwierigkeit zu loben
„Das kannst du schon ganz schön gut“, sage ich. Mein Sohn sitzt neben mir und freut sich, dass er mit seiner neuen Blockflöte schon kleine Lieder spielen kann. „Das ist aber auch wirklich ein schweres Lied, oder?“ – „Ja“, sage ich „das hast du gut geschafft.“ Dass am Rhythmus noch gearbeitet werden muss, ahnt er und ich weiß es, aber das ist in diesem Moment nicht wichtig. Vielmehr das Zusammensein und die Freude über den gemeinsamen Erfolg. Seine Lust - bei allem auch vorhandenen Frust, ist ja klar - und sein beharrliches Üben, meine Interesse und natürlich die Geduld. Zusammen – er und ich, das ist wichtig – haben wir es geschafft. In diesem Moment bin ich wieder einmal richtig zufrieden!
Nur eine Frage habe ich: Warum gelingt es nicht häufiger, Ergebnisse als gemeinsame Leistung zu sehen? Gewöhnlich ist es doch anders: Erst geht’s immer um das, woran unbedingt noch einer oder eine arbeiten muss, was noch nicht formvollendet ist. Erst wenn alles wirklich perfekt ist, kommt das Loben an die Reihe. Wenn es denn kommt. Ich kenne viele, die geradezu schicksalsergeben sagen, einmal nichts zu hören sei das größte Lob. Erst die Perfektion, dann das Lob. Manche sagen, Perfektion ziehe viele Menschen an, weil dann eine Sehnsucht gestillt würde nach dem Eins sein mit allem, wo für alles gesorgt ist, wie im Mutterleib. Vorher. Und wer hier mit sich selbst streng ist, ist es natürlich mit anderen auch. Nur die Frage, warum Lob so häufig fehlt, ist damit nicht gelöst.
Dabei könnte es doch so einfach sein. Nämlich erst in den anderen auch sich selbst sehen und feststellen: kein Mensch kann von sich sagen, es sei nichts an ihm auszusetzen, alle haben ihre Schattenseiten. Und dann entdecken, dass eigentlich jeder Mensch etwas gut kann und man nur gemeinsam durchs Leben kommt. „Wer daran glaubt, … [Alles] nur auf sich selbst gestellt zu überstehn, muss einsam werden und mit den Jahren auch an sich selbst zugrunde gehen“ (Hannes Wader). Jeder und jede kann etwas gut. Mit den eigenen Talenten ist jeder und jede ein Geschenk für die anderen. Einer zeigt Großzügigkeit, eine andere Humor, jemand anderes Tüchtigkeit und Entschlossenheit, die nächsten Aufmerksamkeit und Liebe; die einen denken gut, die anderen setzen gut um. Eigentlich könnte doch alles so einfach sein. Einfach mal sagen: Da hast du gut gemacht, oder: Wenn Sie daran nicht gedacht hätten, wäre es anders ausgegangen. Warum nicht einmal ausprobieren – spricht denn wirklich etwas dagegen?!