hr2 ZUSPRUCH
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von Winterfeld, Charlotte

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Frankfurt

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Mode für Obdachlose

Radames Eger ist Modedesigner. Er hat brasilianische Wurzeln und lebt seit 2009 in Frankfurt. Ich habe ihn in einer Reportage entdeckt: Zierlich, extravagant gekleidet, mit Afro-Frisur und blauem Lidstrich. Radames‘ Herz schlägt nicht nur für Mode. Sondern seit einigen Jahren auch für Obdachlose. 

Wie Radames Eger zum Modedesigner für Obdachlose wurde

Das kam so: An der Konstablerwache – ein Platz, mitten in Frankfurt - spricht ihn eines Tages ein obdachloser Mann an. Radames trägt damals einen selbst designten Pulli mit Blumenmuster. Und der Mann sagt ihm: „Ich möchte auch so einen Pulli haben.“ Den Pulli bekommt er. Radames fängt an, sich grundsätzlicher Gedanken über Mode für Obdachlose zu machen. Er fischt auf dem Weg nach Hause drei Regenschirme aus dem Müll und beginnt zu nähen. Aus dem Regenschirm-Stoff näht er einen Schlafsack. Den will der Obdachlose aber gar nicht: „Ich muss nachts schnell wegrennen können, wenn mich jemand überfallen will.“ Radames schneidert daraufhin einen Schlafsack mit Beinen und Kapuze, den man als Rucksack zusammenfalten kann.

Er entwirft praktische Mode, die im Alltag hilft

Und das ist erst der Anfang: Mittlerweile gibt es auch Mäntel von Radames, die zu Hängematten umfunktioniert werden können. In Hängematten sind die Menschen draußen gut gegen die Feuchte vom Boden her geschützt. Wenn Radames Mode für Obdachlose designt, dann trifft er sich mit ihnen, lässt sich Tipps und Wünsche sagen. Er nutzt Material, das sonst weggeworfen wird: die wasserdichte Bespannung von Regenschirmen, Sperrmüll und Altkleider zur Wärmeisolation.

Ihm hilft dabei seine eigene Erfahrung mit Armut

Radames ist selbst in einem Armenviertel in der Nähe von Sao Paulo aufgewachsen, mit acht Geschwistern. Wenn er sich waschen wollte, ging er zum nahegelegenen Fluss. Kreativ ist er schon damals. Und sehr talentiert – auch als Tänzer. Dann kam die Wende: Ein Choreograph entdeckte ihn. So kam er schließlich nach Europa. Radames erzählt: „Ich weiß, was es heißt, arm zu sein. Als Kind haben wir Metall auf der Mülldeponie gesammelt und verkauft, damit wir etwas zu essen kaufen konnten.“

Er kennt das Leben auf der Straße aus seiner Vergangenheit

Radames hat auch schon ein paar Wochen auf der Straße gelebt. Diese Zeit geht ihm nicht aus dem Kopf. Er sagt: „Jedes Mal, wenn es kalt ist, erinnere ich mich daran. Das ist gut so. Ich möchte mich jeden Tag daran erinnern. Dann kann man die Menschen mit anderen Augen ansehen. Wir dürfen nicht wegschauen, wenn Menschen leiden.“ Hinschauen – zu Menschen wie Rolf. Der ist obdachlos und sagt über Radames: „Ich finde das cool, weil viele denken ja nur an sich. Wir sind eine Ich-Gesellschaft geworden. Da finde ich das cool, dass einer an andere denkt.“

Die Erinnerung hilft ihm an die anderen zu denken

Jetzt im November ist es draußen meist ungemütlich. Es regnet oft, der Himmel ist grau, und manchmal ist es schon richtig kalt. Bei mir in der Nähe unter einer Brücke hat ein Obdachloser sein Lager. Meist stecke ich ihm verstohlen ein paar Münzen zu und will schnell wieder weg. Ich frage mich: Was kann ich schon tun? Ich finde das, was Radames macht, genau richtig. Den Obdachlosen nicht einfach nur Geld geben. Sondern etwas geben, was praktischen Nutzen hat. Noch viel wichtiger ist die Haltung von Radames: den Menschen hinter der Obdachlosigkeit wahrnehmen und zuhören. Nicht von oben herab. Eben den Menschen mit anderen Augen ansehen. 


https://www.fnp.de/frankfurt/ehemaliger-balletttaenzer-favela-bewohner-fertigt-funktionale-kleidung-obdachlose-10689824.html

http://www.dnn.de/Nachrichten/Panorama/Designer-schneidert-Kleidung-fuer-Obdachlose-aus-Regenschirmen

https://www.fr.de/frankfurt/schlafsaecke-regenschirmen-11054105.html

https://www.youtube.com/watch?v=lKI6l4q_2JE