„Mitten im Tod – vom Leben umfangen“
Media vita in morte sumus – was sich auf kirchenlateinisch noch schön anhört, zeigt sich auf Deutsch als bedrückende Erfahrung: „Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen“. Sekundenschlaf im Straßenverkehr, Diagnose beim Arztgespräch, und plötzlich ist nichts mehr so, wie es war. Das Leben steht Kopf. Das kennen wir – wenn nicht selbst, dann von anderen.
Wir sind immer auch von Hoffnung umgeben
Bevor Sie aber an diesem dunklen Morgen Trübsal blasen, rate ich Ihnen mit Martin Luther: Kehr den Satz um und sage: „Mitten im Tod sind wir vom Leben umfangen“. Schau auf die Schöpfung! Sieh das alles, was Gott dir zur Verfügung gestellt hat! Dann wirst du entdecken: In all dem Leid und Elend, das dich täglich umgibt oder von dem du hörst, blitzen immer wieder Zeichen auf. Zeichen, die zeigen, wie viel Hoffnung da sein kann – und wie viel Leben!
Ein Perspektivwechsel im Leben geht nicht auf Knopfdruck
Das geht sicherlich nicht auf Knopfdruck, dieser Perspektivwechsel. Es hilft nichts, sich selbst zu verordnen, „ab sofort positiver ins Leben zu schauen“. Das weiß auch Martin Luther. Es ist ein Weg, den man zurücklegen muss – eine Einübung in den Glauben.
Wer sich dazu entschließt, wird mehr und mehr erkennen, wie viel Freiheit in dem Satz steckt: „Mitten im Tod sind wir vom Leben umfangen“. Die Soziologen würden sagen: Ich bekomme eine neue Daseinskompetenz.
Die eigene Endlichkeit und die Not dieser Welt als Motivation ansehen
Ich kann Frieden schließen mit meiner eigenen Endlichkeit. Ich weiß, wie gefährdet mein Leben ist und das meiner Angehörigen. Und ich sehe die Not in dieser Welt. Und das zieht mich nicht runter oder lähmt mich. Im Gegenteil! Es motiviert mich zu tun was mir möglich ist, um Not zu lindern. Leben zu bewahren und das Gute, das mir begegnet, dankbar zu sehen und den Moment zu genießen.
Die Adventszeit nutzen, um zu lernen
Die Adventszeit ist eine gute Gelegenheit, um eine solche Haltung einzuüben. Im Advent warte ich auf den Geburtstag von Jesus, der zu seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern gesagt hat: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Johannes 16,33)
Was ist mir heute Gutes begegnet?
Die Einübung beginnt mit kleinen Schritten. Wenn ich mich abends fünf Minuten lang hinsetze und darüber nachdenke, was mir heute Gutes begegnet ist. Oder indem ich mir auf dem Weg zur Arbeit, zum Arzt oder zum Amt bewusst mache, was ich Schönes sehe: einen Baum, der im Morgenlicht besonders leuchtet. Zwei Kinderwagen nebeneinander. Oder ich schaue, ob ich es schaffe, bis zum Mittagessen drei Menschen zu finden, die mir mit einem Lächeln begegnen.
Das sind keine großen Schritte – aber sie sind ein Anfang. Also: Kehr‘s um!