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Maschke, Andrea

Ein Sendung von

Katholische Pastoralreferentin in Bad Homburg / Friedrichsdorf

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Gast auf Erden

„Gast auf Erden“ steht auf dem T-Shirt, um das ich schon eine Weile herum schleiche. Es spricht mich an, ist schön designed, außerdem aus Biobaumwolle und in verschiedenen Farben verfügbar. Aber dann frage ich mich: Wann ziehe ich das überhaupt an? Bei der nächsten Umwelt-Demo oder eher beim Gedenkgottesdienst? Oder bei beidem? Dann sollte ich vielleicht ein gedecktes Dunkelrot oder ein Tannengrün als T-Shirt-Farbe wählen.

Das alte Kirchenlied wird oft bei Beerdigungen gewünscht

Gast auf Erden, da fällt mir als Seelsorgerin zuallererst ein altes Kirchenlied ein, „Wir sind nur Gast auf Erden“ – und dann geht es weiter: und wandern ohne Ruh, mit mancherlei Beschwerden der ewigen Heimat zu.“ Das wird oft bei Beerdigungen gewünscht. Es gibt düstere Strophen über die einsamen Wege und hellere wie diese: Und sind wir einmal müde, dann stell ein Licht uns aus, o Herr in deiner Güte, dann finden wir nach Haus.“ Diese letzte Strophe mag ich sehr.

Sie schickte mir zu jeder Geschichte einen Kommentar

Seit kurzem denke ich als Altenheim-Seelsorgerin bei „Gast auf Erden“ auch an eine Frau, die ich im Heim kennen gelernt habe. Wir hatten uns gut verstanden. Am Ende ihres Lebens konnte sie kaum noch sprechen. Ich hatte ihr ein kleines Büchlein mitgebracht mit kurzen Geschichten. Die las sie zügig hintereinander und schickte mir zu jeder Geschichte dann einen kurzen Kommentar.

Der Mann wunderte sich über das karge Zimmer im Kloster

Eine der Geschichten ging so: Ein Wanderer macht Halt in einem Kloster und bittet um eine Übernachtungsmöglichkeit. Man nimmt ihn freundlich auf und ein Mönch bringt ihn in eine Mönchszelle. Der Mann wundert sich über die Einfachheit und fragt: Wo sind denn Ihre Möbel? Und der Mönch fragt zurück: Und wo sind denn Ihre?“ Aber ich bin doch auf der Durchreise, sagt der Mann – „wir auch, antwortet der Mönch.

Und die ältere Dame kommentierte: „Sind wir nicht alle unterwegs auf Durchreise - späte Erkenntnis“ Das war ihre Perspektive, gegen Ende ihres Lebens.

Es geht auch mit viel weniger

Ich dachte bei der Geschichte eher: Stimmt, das meiste von dem, was du im Leben mit dir herumschleppst, brauchst du eigentlich gar nicht. Es geht auch mit viel weniger – und meistens fehlt dir trotzdem nichts. Das ist für mich eine der wichtigsten Erfahrungen beim Wandern und Pilgern.

Und dieses „Nicht-Alles-Haben-Müssen-Und-Trotzdem-Glücklich-Sein“ hat dann doch wieder auch Konsequenzen für den Umgang mit Ressourcen.

Daher entscheide ich mich gegen den Kauf des T-Shirts

Also doch ein T-Shirt mit dem Spruch „Gast auf Erden“ für die nächste Umweltdemo? Wenn ich mir bewusst bin, dass die Erde nicht mir gehört, sondern nach mir andere kommen, dann sollte ich mich wie ein Gast benehmen: Mich darüber freuen, da zu sein, ohne ein Bild der Zerstörung zu hinterlassen – die anderen wollen ja auch noch kommen.

Und auch wenn das ein bisschen schade ist, ich glaube fast: ich kaufe das T-Shirt nicht. Denn für mein Gast-Sein, meine „Durchreise“ habe ich schon mehr als genug anzuziehen!