Bäume sind verletzlich wie Menschen
Es gibt Menschen, die vergiften Bäume. Sie bohren kleine Löcher in die Rinde oder in die Wurzeln und spritzen Substanzen hinein – Glyphosat, Diesel oder andere Gifte. Dieses Phänomen ist nicht neu und leider auch nicht selten. In den vergangenen fünf Jahren wurden in Hessen fast 80 schwerwiegende Fälle dokumentiert.[i]
Was sind die Beweggründe einen Baum zu verletzen?
Warum tun Menschen so etwas? Die Gründe wirken oft banal: Ein Baum steht zu nah an der Grundstücksgrenze, verliert zu viel Laub, wirft zu viel Schatten. Manchmal steckt sogar ein Rachemotiv dahinter – Rache an einem Baum. Das klingt absurd, und doch kommt es vor. Was genau Menschen zu solchen Taten treibt, kann man oft nicht verstehen.
Es stirbt ein Stück Natur
Mich lässt das nicht unberührt, und viele andere auch nicht. Wenn Blätter welken, die Rinde aufreißt und ein Baum langsam stirbt, ist das schwer mit anzusehen. Denn da geht nicht nur einfach ein Ding kaputt, sondern es stirbt ein Stück Natur, etwas, das gewachsen ist, das gelebt hat, eine schöne, starke, alte Pflanze. Ein Leben geht verloren.
Das ist mehr als Sachbeschädigung oder Vandalismus. Deshalb berühren solche Taten tiefere Schichten: das Gefühl, hier wird etwas Lebendiges verletzt, das niemandem Schaden zugefügt hat. Es ist auch eine leise, eindringliche Frage nach Gerechtigkeit: „Was hat dieser Baum denn jemandem getan?“
Bäume sind verletzlich so wie auch der Mensch
Solche Taten erschüttern auch, weil sie daran erinnern, wie gefährdet die Verbindung zwischen Mensch und Natur geworden ist. Dabei ist sie so wichtig. Wo Bäume wachsen, ist die Luft klarer, das Klima milder. Dort leben Insekten, Vögel, Pilze und Flechten, unzählige kleine Lebewesen. Einen Baum zerstören heißt, in ein Gefüge eingreifen, das weit über Menschen hinausreicht.
Bäume und Menschen teilen als Lebewesen viel. Beide sind verletzlich, beide sterblich. Verletzlichkeit ist keine Schwäche. Sie ist das, was Menschen für andere empfänglich macht, was Mitgefühl ermöglicht. Ein verletzlicher Mensch ist jemand, der lieben, hoffen und vertrauen kann, der glaubt: Das Zerstörerische wird nicht das letzte Wort haben.
Es liegt an uns Menschen, das Miteinander von Menschen, Tieren und Pflanzen zu schützen
Auch dafür ist der Baum ein starkes Bild, angelegt im kulturellen und religiösem Gedächtnis. In vielen Traditionen steht er für das Leben selbst. In der Bibel etwa heißt es im ersten Psalm über einen Menschen, der sich an die guten Gebote Gottes hält: „Er ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit“ (Psalm 1,3). Dieses Bild spricht von einem Leben, das verwurzelt ist. Es steht in Verbindung mit Schöpfer und Schöpfung. Es wird genährt und bringt Frucht. Menschen, Tiere, Pflanzen, die ganze Schöpfung, sie gehören zusammen. Und es liegt an uns Menschen, dieses Miteinander zu schützen und zu bewahren.
[i] https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/zerstoererische-lust-warum-menschen-baeume-hassen-110596849.html