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Ruckert, Ralf

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Lahntal

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Kirchenfrieden

Sagen Sie es nicht weiter! Unsere Gemeinde hat ein Kirchenasyl. Das ist nichts Illegales. Aber viele andere Kirchengemeinden können das nicht stemmen – so vom Platz her und den sanitären Anlagen. Und die Nachfrage ist groß.

Kirchenfrieden-ein Prinzip aus dem Mittelalter

Kirchenasyl oder Kirchenfrieden, so wie es auch schon genannt wurde, ist ein Prinzip aus dem Mittelalter. Die Kirche darf nicht mit Waffengewalt betreten werden. Wer hier Schutz sucht, mag in Frieden bleiben.

In skandinavischen Kirchen zum Beispiel durften die Wikinger ihre Schwerter nicht mitnehmen. Sie legten sie in einem Vorraum ab, weshalb der bis heute „das Waffenhaus / Våpenhuset“ genannt wird.

Juristisch gesehen gibt es kein Kirchenasyl

Trotz Kirchenfrieden sind im Lauf der Jahrhunderte immer wieder Gotteshäuser geplündert und gebrandschatzt worden. Und einige Kirchen werden im Krieg beschädigt oder zerstört bis auf diesen Tag. Den Kirchenfrieden einzuhalten ist freiwillig.

Juristisch gesehen gibt es kein Kirchenasyl. Der demokratische Staat hat das Gewaltmonopol und darf die Gesetze überall durchsetzen, auch bei uns im Haus.

Welche Vereinbarungen es gibt

Aber es gibt eine Vereinbarung: Innenministerien, Landeskirchen und Bistümer haben lange gerungen und dann gesagt: Der Staat kann irren. Die Abschiebung von Asylbewerbern kann zu unwiederbringlichen Schäden und menschlichen Härten führen. Also achtet der Staat das Kirchenasyl unter bestimmten Voraussetzungen: Die Kirchen dürfen nur in begründeten Ausnahmefällen Menschen aufnehmen, Menschen in Not und mit Erfolgsaussichten. Menschen, bei denen man annehmen kann, dass Zeitgewinn und genauere Prüfung zu einem legalen Hierbleiben führen könnten.

Was Kirchenasyl bietet

Die Ankunft bei uns muss sofort den Behörden gemeldet werden. Die Kirchen verstecken also niemanden. Sie bieten nur einer Person Raum an. Und der Staat entscheidet, dass er nicht eingreift.

Der humanitäre Staat braucht Gesetze, die für alle gelten und den Einzelnen und das Gemeinwohl schützen... die Menschlichkeit braucht aber manchmal Ausnahmen und Aufschübe, um Härten abzufedern.

Nächstenliebe und Gastfreundschaft

Hier wird der Kirche erlaubt, mit der Nächstenliebe ernst zu machen. Es entstehen durch den Aufenthalt bei uns Kontakte. Die Gäste erfahren Pluralität und Inklusion und lernen unsere Werte kennen. Es wird danach leichter, sich in Deutschland zurechtzufinden.

Ein perfektes Land gibt es nicht. Aber ein gutes Land sieht eine seiner wichtigsten Aufgaben darin, Not zu lindern. Es respektiert Religionsgemeinschaften. Bei der Kirche gehören Nächstenliebe und Gastfreundschaft unabdingbar dazu. Das sollten wir viel öfter weitersagen.