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Müller-Langsdorf, Sabine

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Zentrum Oekumene, Frankfurt

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Die andere Stadtführung

Größere Städte bieten allerlei Stadtführungen an: kulinarische und historische, Führungen auf den Spuren von Helden oder berühmter Personen und zu prominenten Orten.

Menschen mit Migrationsgeschichte zeigen ihre Stadt

Ich habe eine besondere Stadtführung in Frankfurt mitgemacht, einen „Citywalk“, also einen Gang durch die Innenstadt. Angeboten werden diese Rundgänge von Menschen, die aus einem anderen Land nach Frankfurt kamen, weil sie Arbeit suchten oder fliehen mussten. Menschen mit einer Migrationsgeschichte zeigen bei einem Citywalk Orte, die für sie bedeutsam waren fürs Ankommen. Orte, die sie geprägt haben im Heimisch-Werden.

Viele Tiere im Zoo kommen aus Afrika, oder?

Mein Stadtführer heißt Philipp. Er ist 1973 aus Ghana nach Frankfurt gekommen. Wir treffen uns auf dem großen Platz vorm Frankfurter Zoo. Er fragt: „Kennst du den Zoo?“ Na klar kenne ich den Zoo. Ich war da oft mit meinen Kindern. Da sind viele tolle wilde Tiere drin. Philipp fragt: „Und wo kommen die Tiere her?“ „Aus Afrika“ rutscht es mir heraus.

Afrika ist großer Kontinent mit vielen unterschiedlichen Ländern und Menschen

Die Antwort gefällt Philipp. Daran kann er einiges klarstellen: Ich denke Afrika als ein einziges riesiges Land. Wilde Tiere leben da. Und wie oft verbinden sich die wilden Tiere mit dem Bild von sogenannten „wilden“ Menschen in Afrika. Das sind viele klassische Vorurteile auf einmal. Philipp erklärt: „Kaum jemand in Afrika hat je im Leben einen echten Löwen gesehen, höchstens mal eine harmlose Schlange oder Geckos.“

Die Stadt mit den Augen eines anderen sehen

Philip zeigt mir sein Frankfurt. Ich sehe die Stadt mit seinen Augen. Ich bekomme das Haus seiner ersten Arbeitsstelle gezeigt. „Da hatte ich tolle Kollegen und konnte die Sprache gut lernen.“ Philip erinnert sich aber auch an den einen Mann, der immer wieder böse Kommentare zu seiner Herkunft und Hautfarbe machte.

Einsam in einem fremden Land

Auf dem Weg in die Innenstadt bleibt Philip an einem unscheinbaren Mietshaus stehen. „Hier wohnte ein anderer Mann aus Ghana. Er war ein etwas scheuer Typ, hatte keine Freunde. Als er eines Tages krank wurde, rief er mich an. Ich habe alles für ihn organisiert…am Ende auch seine Beerdigung.“ Mich berührt es, wie einsam ein Mensch in einem fremden Land sein kann. Ich gehe meine Nachbarn in Gedanken durch: was weiß ich eigentlich von denen?

Geschichten vom Leben und Überleben in einer fremden Stadt

Philips Orte in Frankfurt sind nicht die großen Kulturdenkmäler der Stadt. Aber einen Helden habe ich allemal auf dieser Stadtführung kennengelernt. Philipp selbst. Er hat erzählt vom Leben und Überleben und von der Menschlichkeit. Wir kamen ins Gespräch über das, was eine lebenswerte Stadt und ein gutes Miteinander ausmachen. Philip beendet seine Tour im für ihn schönsten Bauwerk der Stadt, dem Frankfurter Dom. Ich zünde eine Kerze an für alle auf dem Weg, ohne Heimat, im Ankommen.