Novembergedanken
Die Bäume in unserer Straße haben schon ihre Blätter abgeworfen. Sogar früher als sonst nach der langen Zeit ohne Regen. Die Äste ragen nun kahl in den Himmel. Nur eine Rose blüht noch an der Wand, bis der erste Nachtfrost kommt.
Noch fühlt es sich an wie Herbst
Der Garten hat schon seine Winterruhe angetreten. Nichts sprießt mehr. Die Pflanzen haben sich zurückgezogen und sammeln Kraft für den Austrieb im nächsten Jahr. Noch fühlt es sich an wie Herbst. Aber der Winter wirft schon seine Schatten voraus.
Im November verlagert sich das Leben mehr in die Innenräume
Nach den langen Monaten voller Sonne und Wärme beginnt nun mit dem November eine andere Zeit. Die Tage werden kürzer und die dunklen Abende immer länger. Das Wetter lockt nicht nach draußen. Das Leben verlagert sich mehr nach innen, ins Haus. Wolldecke, ein heißer Tee und eine Kerze stehen jetzt bei meinem Sessel bereit. Es kehrt auch bei mir Ruhe ein. Den Rhythmus der Natur gehe ich innerlich mit.
Aus dem schönen, teilweise sonnigen Herbst gehe ich hinüber in eine Zeit, die voller Erinnerung ist. Vom Erntedank hinüber zu den Gedenktagen.
Der Monat der Gedenktage
Allerheiligen und Allerseelen Anfang November bis hin zum letzten Sonntag vor der Adventszeit, dem Totensonntag oder Ewigkeitssonntag. An die denken, die schon gegangen sind. Eltern, Geschwister, Menschen, mit denen wir das Leben geteilt haben. Menschen, die wir liebhatten und noch liebhaben. An sie denken mit Sehnsucht und mit Dankbarkeit. Beides zugleich spüren, die Trauer und das stille Einverständnis, dass sie uns nur vorausgegangen sind in die Ewigkeit, in der sie auf uns warten.
Erinnern an Pogromnacht, Opfer der Weltkriege, Buß- und Bettag
Aber auch das Gedenken an die Pogromnacht und an die Opfer der Weltkriege. Immer wieder das Entsetzen darüber, was hier in unserem Land geschehen ist. Wozu Hass und Selbstherrlichkeit geführt haben. Gleichzeitig aber auch die Dankbarkeit für jetzt 80 Jahre Frieden in Deutschland, für die Aussöhnung mit den Nachbarn in Europa. Für den Beginn einer gemeinsamen Zukunft. Dazu kommt noch der Buß- und Bettag, der die Erinnerung wachhält, dass Schuld vergeben wird, dass es gelingen kann, neu anzufangen.
Wir können immer wieder neu beginnen
Die Gedenktage im November erinnern zum einen daran, was unser Leben schwer macht: Hass und Gewalt, Schuld, Tod. Andererseits stärken sie aber auch die Hoffnung, dass nicht alles im Dunkel endet. Wir können immer wieder neu beginnen: Schuld bekennen und vergeben, Hass und Gewalt entgegentreten und hoffen über den Tod hinaus.
Und dann nach vorne sehen. Am Ende des Novembers wartet der Advent auf uns und wirft uns schon sein Licht entgegen.