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Lungershausen, Dr. Christine

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Eschborn

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Messer für Pflüge und Messer zum Kartoffelschälen

Schwerter zu Pflugscharen – dieser Slogan der Friedensbewegung klebt als Aufkleber bei uns zu Hause im Flur am Spiegel. Er gehört zu dem, was meinem Mann und mir wichtig ist, woran wir glauben. Schwerter sollen zu Pflugscharen werden. Ein Satz aus der Bibel, aus dem Alten Testament (Micha 4,3). Ich frage mich: Gilt diese Vision noch? Der Überfall der russischen Armee nach Befehl Putins auf die Ukraine ist ein Jahr her.

Verteidigen geht nicht ohne Waffen

Was ich im letzten Jahr gelernt habe: Es wäre naiv zu sagen, die Ukraine darf sich nicht verteidigen. Anmaßend, im friedlichen Deutschland zu denken, Verteidigung ginge ohne Waffen. Niemand darf ein Krankenhaus bombardieren, Kindergärten, die Wasserversorgung einer Stadt, seine eigenen Männer einziehen und verheizen. Wer das tut, muss gestoppt werden.

Das Friedenshandeln Gottes kommt vor der Waffenruhe

Ist es da nicht tatsächlich naiv, darauf zu setzen, dass Waffen unnötig und Schwerter zu Pflugscharen werden? Ich befrage den biblischen Text, aus dem er stammt, das Buch des Propheten Micha. Dort steht im Satz zuvor: »Gott wird unter vielen Völkern richten und mächtige Nationen zurechtweisen.« Es heißt nicht: Waffen nieder und irgendwann später wird es friedlich. Sondern: Gott zieht die Gewalttäter zur Rechenschaft und stellt für die Opfer Gerechtigkeit her. Dann wird Frieden. Das Friedenshandeln Gottes kommt VOR der Waffenruhe.

Der Internationale Stragferichtshof untersucht jetzt schon Kriegsverbrechen in der Ukraine

Etwas davon geschieht auch im Ukraine-Krieg. Schon jetzt untersucht der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Verbrechen in diesem Krieg. Seit zwanzig Jahren ist er für die Verfolgung besonders schwerer Straftaten wie Völkermord und Kriegsverbrechen zuständig. Auch Staatschefs können dort angeklagt werden. Jetzt untersucht Den Haag mit Einheimischen und Beobachtern anderer Staaten die Morde der russischen Armee in der ukrainischen Kleinstadt Butscha. Sie sammeln Beweise für Verbrechen gegen das Völkerrecht und Kriegsverbrechen.

Es gibt eine umfassende Gerechtigkeit durch Gott

Wenn ich in der Bibel lese: „Gott wird unter vielen Völkern richten“ – dann höre ich die Sehnsucht: Es gibt eine umfassendere Gerechtigkeit als die, die Menschen bestenfalls bewirken können. Denn kein Gericht der Welt kann Menschen wieder lebendig machen oder nicht gelebtes Leben ermöglichen. Ich hoffe, diese umfassende Gerechtigkeit wird es geben. Nicht hier und sofort, aber es wird geschehen. Nicht durch Menschen, aber durch Gott.

"Schwerter zu Pflugscharen"

In der biblischen Friedensvision heißt es weiter: »Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen (…) und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.« Was für eine wunderbare Hoffnung: Menschen verlernen, Krieg zu führen. Messer brauchen wir dann nur noch zum Kartoffelschälen. Es bedarf keiner Waffen mehr, daher verwenden wir das Metall stattdessen für Pflüge.

Der Slogan „Schwerter zu Pflugscharen“ sagt mir heute nicht: Legt alle Waffen nieder und ergebt euch. Das wäre zynisch und es wäre naiv, das in diesem Fall als einen Weg zum Frieden zu betrachten. Dafür braucht es erst einmal Gerechtigkeit. Und einen Stopp der Tyrannen.

„Schwerter werden zu Pflugscharen“ - das ist eine Vision von dem, was werden wird. Wir verlernen Krieg zu führen, weil niemand mehr einen beginnt. Möge es so werden.