hr2 ZUSPRUCH
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Flicker, Steffen

Eine Sendung von

Schulleiter der katholischen Schule Marianum Fulda und Vorsitzender des Katholikenrates im Bistum Fulda

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Meinungen überdenken

Manchmal fällt es mir schwer, meine Meinung zu ändern. Über einen langen Zeitraum habe ich mir zu einem bestimmten Thema ein Urteil gebildet, das für mich stimmig ist. Wenn dann für mich neue Erkenntnisse dazu kommen, ist es nicht leicht, eine einmal gebildete Meinung zu ändern.

Der deutsche Dramatiker und Dichter Bertolt Brecht hat einmal gesagt: "Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war." Eine wahre Erkenntnis. Stur auf seinem Standpunkt zu beharren, ist sicher engstirnig und führt nicht weiter. Andererseits wird es immer noch von manchen Menschen als Schwäche ausgelegt, wenn jemand zu dem Ergebnis kommt, seine Meinung zu ändern.

Der Ausspruch von Bertolt Brecht greift das Sprichwort auf: "Wer A sagt, der muss auch B sagen!" Das ist sicher oft auch richtig. Das hat etwas mit Konsequenz zu tun. Das ist ganz wichtig: weil ich mich auf das Wort eines anderen auch verlassen muss.

Dennoch sollte es mich nicht daran hindern, Meinungen zu überdenken. Vielleicht habe ich bei meiner Meinung einen wichtigen Aspekt vergessen. Vielleicht habe ich mit meiner Meinung auch jemandem Unrecht getan?

Irren ist menschlich, Fehler zugeben weitsichtig, neue Meinungen zu akzeptieren großherzig

Ist es dann nicht sinnvoller, zuzugeben, dass ich mich geirrt habe. Ich habe Respekt davor, wenn jemand aufgrund guter Argumente zu einer anderen Schlussfolgerung kommt als zu der, die er möglicherweise jahrelang vertreten hat. Das ist für mich ganz und gar nicht ein Zeichen von Schwäche - sondern im Gegenteil ein Zeichen von Stärke.

"Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war." Das, was Bertolt Brecht hier zum Ausdruck bringt, ermutigt mich. Dann, wenn ich meine Meinung überdenke und zu einer neuen Position komme. Das sollte nicht nur möglich sein, das sollte auch anerkannt werden.

Ansonsten würde die Welt aus lauter Menschen bestehen, die sich guten Argumenten verschließen, nur um nicht zugeben zu müssen, dass sie sie von einer neuen Sicht auf die Dinge überzeugt sind. Vielleicht fehlt mir manchmal der Mut, das zuzugeben.

Dazu ermutigt mich auch die Bergpredigt. Jesus spricht sich darin für eine neue Sichtweise auf das menschliche Miteinander aus. Wie ist mein Blick auf arme Menschen? Wo fängt bei mir der Frieden an? Was bedeutet Liebe in letzter Konsequenz?

Ich wünsche uns den Mut, Meinungen zu überdenken und Veränderungen von Standpunkten nicht als Schwäche zu sehen, sondern als Stärke. Dann wird aus Einfalt Vielfalt.