hr2 ZUSPRUCH
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Wucherpfennig, Dr. Ansgar

Eine Sendung von

katholischer Theologe, Kassel

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G*tt dreifaltig

Gott ist im Deutschen maskulinum. Aber die Bibel hält an einigen Stellen entschieden fest: Gott ist weder männlich noch weiblich (Dtn 4,16–18; Num 23,19; Hos 11,9). Selbst wenn Jesus von Gott als „Vater“ spricht, dann meint er dabei nicht, dass Gott ein Mann ist, sondern er spricht bildlich davon, dass Gott sich väterlich/mütterlich um die Menschen sorgt. Darum nennt Jesus Gott vertraulich, aber gleichzeitig nicht vereinnahmend: „Vater“.

Keine moderne Schreibweise

Weil also Gott nicht einem Geschlecht zuzuordnen ist, wird seit einiger Zeit im Deutschen Gott gelegentlich mit einem Genderstern geschrieben. Das finde ich interessant, vor allem, wenn es so geschrieben wird, dass der Genderstern in der Mitte steht, also „G*tt“. Sprechen kann man das kaum, aber schreiben. Und spannend ist: Das ist überhaupt keine moderne Schreibweise. Es sieht ganz ähnlich aus, wie die Bezeichnungen für Gott in den ältesten Bibelhandschriften geschrieben wurden.

Neue Akzente von Gott

Die Worte für Gott, aber auch für Jesus und für den Heiligen Geist wurden mit dem ersten und letzten Buchstaben abgekürzt, und dazwischen ein oder zwei Striche gesetzt. Das hat man nicht getan, um Platz zu sparen, sondern um deutlich zu machen: All unser Sprechen und Schreiben kann Gottes Wesen nie angemessen einfangen. Ich habe inzwischen selber begonnen, Gott häufiger so zu schreiben: G*tt, und ich merke: Das gibt meinem Denken und Sprechen von Gott neue Akzente.

Ich wäre gern dabei

Dass sich mein Blick auf Gott geändert hat, fiel mir auch auf beim Blick auf eine Ikone, die ich seit langem in meiner Gebetsecke habe. Sie hing schon zuhause über dem Bett meiner Eltern und stammt von dem russischen Maler Andrei Rubljow. Auf der Ikone sind drei Figuren zu sehen, drei göttliche Figuren. Sie sehen einander aus dem Gesicht geschnitten ähnlich, auch sonst gleichen sie einander. Sie haben weite Gewänder an. Ihre langen Haare tragen sie geordnet, über der Stirn sieht es so aus, als wenn sie zu einem Zopf gebunden sind und nach hinten lang herunterfallen. Die drei Figuren wirken wie in einem Gespräch, und wenn ich die Ikone anschaue, kommt mir manchmal der Gedanke: Ich wäre gern bei ihrem Gespräch dabei.

Gott ist nicht nur ein Gegenüber

Seitdem ich über G*tt mit Genderstern nachdenke, habe ich bemerkt: Ich kann Männer in diesen drei Personen sehen, aber auch Frauen. Für mich geht immer nur eines, nicht beides gleichzeitig, aber beides geht. Rubljow hat das offenbar bewusst so gemalt, denn in der Schriftstelle, auf die er sich bezieht, ist eigentlich von „drei Männern“ (Gen 18,2) die Rede. Das hat mir etwas Neues an meinem christlichen Glauben an Gott deutlich gemacht: Gott ist nicht nur ein Gegenüber, erst recht kein alter Mann mit Bart, wie er manchmal gemalt ist.

Mit einem Genderstern in der Mitte 

Gott ist vielmehr wie ein Gespräch zwischen Personen. Alle Menschen mit ihren vielen ganz unterschiedlichen Erfahrungen können in Gottes Gespräch ein Zuhause und Zuwendung finden. G*tt mit Genderstern in der Mitte und dreifaltig-vielfältig ist mir so noch einmal näher gekommen: Ich kann aufmerksam werden für G*ttes Gespräch, wenn ich G*ttes Wort betrachte, z. B. beim Meditieren der Bibel. Gleichzeitig bleibt mir G*tt auch immer ein Gegenüber. … Ich bin gespannt, was mir noch alles dazu einfällt, wenn ich G*tt mit einem Genderstern in der Mitte schreibe und bedenke.