hr2 ZUSPRUCH
hr2
Vonderau, Judith

Eine Sendung von

Katholische Autorin bei "kirche im hr", Bad Orb

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Durchstrahlende Klarheit

Die Musik ist eine Sprache, die so vieles sagen kann. Melodien und Liedtexte sind oft voller Themen aus dem Leben. Was Menschen beschäftigt, was bei ihnen Fragen aufkommen lässt, was sie erlebt haben – all das sind Themen, die sie auch in der Musik verarbeiten und reflektieren.

Eine tiefere Botschaft liegt oft in der Musik

Oft kann ich aus Liedtexten etwas mitnehmen, das auch meine Fragen an das Leben beantwortet oder das mich zum Weiterdenken anregt. Ein solches Lied hat es seit der Adventszeit bis jetzt in die Osterzeit geschafft, mir in Erinnerung zu bleiben. Dieses Lied heißt "O Herr, wenn du kommst" und es geht um all das Gute, was die Menschen erleben werden, wenn Gott zu ihnen auf die Welt kommt. Das klingt hoffnungsvoll, denn die Welt ist nicht immer eine heile Welt. Manchmal ist sie sogar so unheil, dass ich mich frage, wie das sein kann und warum Gott so viel Schlimmes, so viel Leid zulässt. Kann Gott nicht wenigstens ab und zu etwas unternehmen und die schlimmsten Dinge verhindern? Geht es ihm gut mit dem Leid der Menschen? Wie kann er es ertragen, wenn ich leide?

Eine zufriedenstellende Antwort habe ich bisher nicht gefunden. Denn irgendwie scheint das alles nicht zusammenzupassen: Vielleicht kann Gott das Leid nicht verhindern? Aber dann wäre er nicht allmächtig und somit auch nicht Gott. Vielleicht will er das Leid nicht verhindern? Aber dann wäre er nicht gut und auch nicht Gott.

An dieser Stelle kommt besagtes Lied ins Spiel; genauer gesagt eine einzige Zeile aus dem Lied. Denn da heißt es "Das Leid wird von all deiner Klarheit durchstrahlt". Zuerst bin ich über diese Zeile gestolpert, denn ich habe mich gefragt, warum immer noch von Leid die Rede ist, wenn es doch um eine Welt geht, in der alles gut ist. Da dürfte es doch gar kein Leid mehr geben!

Gott begleitet mich in meinem Leiden, das ist gewiss

Inzwischen verstehe ich diese Worte anders: Wenn mein Leid von Gottes Klarheit durchstrahlt wird, dann nimmt er es ernst. Gott wischt das Leid nicht einfach zur Seite und tut es ab, als ob nichts gewesen wäre. Nein, im Gegenteil. Er nimmt meinen Schmerz und meine Verzweiflung ernst, er nimmt mich als Menschen ernst. Und dann bringt er Klarheit in mein Leben, er lässt es strahlen. Er deutet es aus einer anderen und göttlichen Perspektive heraus.

Ich darf darauf hoffen, dass Gott mir irgendwann eine Antwort geben wird, warum es das Leid gibt. Ein Gedanke hilft mir schon jetzt bei der Frage nach dem Leid: Ich glaube daran, dass Gott bei mir ist, wenn es mir schlecht geht. Ich glaube, dass er in allen noch so schrecklichen Situationen mitgeht. Und ihm darf ich auch meine Frage nach dem Warum stellen. Ich darf ihn sogar anklagen für all das Schlimme, was passiert. Er erträgt mein Leid zusammen mit mir.