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Wucherpfennig, Dr. Ansgar

Eine Sendung von

katholischer Theologe, Kassel

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A haunting in Venice

Wir werden unsere Geister nicht los, ob sie real sind oder nicht. Wir müssen Frieden schließen mit unseren Geistern und irgendwie unser Leben leben. „We have to make peace with our ghosts, and to live our life somehow“, so sagt es Hercule Poirot zum Schluss in dem Film “A haunting in Venice” – „ein Spuk in Venedig“. In diesen Wochen läuft er im Kino. Ein Film mit einer faszinierenden Mischung zwischen Grusel und Detektivkrimi. Für mich hat er aber auch noch eine tiefere Bedeutung als ein bloßer Unterhaltungsfilm. In dem Film geht es um das Jagen und Gejagtsein von Geistern. Offenbar ist es gar nicht so wichtig, ob es Geister wirklich gibt oder nicht, aber es gibt innere Geister, die mich bewegen, ja sogar manchmal jagen. Manchmal lassen sie mir keine Ruhe, dann liege ich die Nacht lang wach und drehe mich herum und herum, und auch meine Gedanken drehen sich immer wieder neu im Kreis.

Am Ende bleibt offen, ob es Geister gibt oder nicht

In dem Film sind es angeblich Geister von gestorbenen Kindern eines Waisenhauses, die in der Nacht von Halloween herumspuken. Ein totes Mädchen schaut mitten in der Nacht hinter einer Tür hervor, die Geister spielen an Wasserhähnen, zerbrechen Spiegel und erschüttern einen ganzen wunderbaren alten Palast in Venedig. Vor allem aber bedrücken sie die Menschen immer mehr und bringen sie mit ihren eigenen traumatischen Erfahrungen in Kontakt, so dass ihnen ihr eigenes Leben angst und bange wird. Die Nacht von Halloween macht müde gewordene Geister wieder munter, aber auch den scharfen Detektiv-Geist von Hercule Poirot. Er hält die Geister für fake. So sagt er es ein paar Mal, wenn etwas Rätselhaftes passiert: „Fake!“ Und jedes Mal lässt sich das Geisterhafte irgendwie aufklären. Dennoch lässt der Film am Ende offen, ob es Geister gibt oder nicht, und selbst Hercule Poirot scheint von einem Schicksal belastet zu sein, das ihn wie eine Art Geist verfolgt.

Die verworrenen Fäden entwirrt und mir klare Sicht verschafft

Die Figur von Hercule Poirot hat mich beeindruckt. Ich finde es spannend, wenn jemand mysteriöse Dinge aufspüren und vernünftig erklären kann. Das nimmt mir die Angst vor der Wirklichkeit, weil ich merke: Am Ende findet das Unerklärliche und Beängstigende im Leben doch eine nachvollziehbare Erklärung. Ich habe das schon manchmal selber in Gesprächen erlebt: Ich kam mit einer ziemlich komplizierten Geschichte und habe sie erzählt, mein Gegenüber hat dann die verworrenen Fäden wieder geordnet und mir eine klare Sicht verschafft. Das war manchmal ernüchternd, aber immer bin ich dann froh gewesen, dass ich wieder klarer sehen konnte.

Frieden schließen mit „meinen“ Geistern

Geister spuken gewöhnlich nicht durch alte Paläste. Es braucht aber so etwas wie Detektivarbeit, die verschiedenen Geister aufzuspüren, die mich bewegen. Sie können mir Angst machen, aber manchmal kann ich mit ihnen auch wichtige unerledigte Dinge in meinem Leben aufspüren. Noch wichtiger ist mir aber: Ich kann Frieden mit ihnen schließen. Und ich kann dann auch irgendwie mit ihnen leben. Vielleicht nicht immer so, wie ich es möchte, aber doch in einem Frieden, der mir auch ruhige und glückliche Nächte schenken kann.