hr2 ZUSPRUCH
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Becker, Michael

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Kassel

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Warum Walter manchmal wütend ist

Manchmal ist Walter wütend. Man sieht es ihm dann nicht an, aber in ihm brodelt es. Er kriegt die Welt nicht in seinen Kopf. So nennt er das. Vor allem versteht er Gott nicht. Er weiß natürlich, dass man Gott nicht verstehen kann. Aber manchmal ist es eben besonders schlimm, findet er. Das war neulich.

Ein Unfall, und die Welt ist aus den Fugen

Bei einer Familie, die er kennt. Ein Unfall, und die Welt ist aus den Fugen. Walter kann nichts tun. Nur wütend sein. Im Stillen. Und denken, was er dann immer denkt: Manchmal ist Gott wie ein riesiges Fragezeichen, an dem man sich reibt.

Als würde man sich wund reiben, so empfindet Walter das.

Nur Fragen und keine Antworten

Alles ist voller Fragen. Und keine Antworten. Erst hört Walter von dem Unfall, dann geht er zur Beerdigung. Später besucht er die Familie. In ihm brodelt es. Niemand weiß davon, nur er selber. Vielleicht ist es noch schlimmer, denkt Walter, wenn man nur Zeuge ist und nichts tun kann. Wenn es einen selber trifft, denkt er, kann man ja vielleicht noch dies und das tun oder sich helfen lassen. Aber wenn man nur Zeuge ist, fühlt man sich ohnmächtig; quält sich mit seinen Fragen herum. Und mit Gott, diesem Fragezeichen, das irgendwie keine Antworten gibt.

Warum lässt Gott das zu?

Natürlich legt sich die Wut wieder. Man kann nicht dauernd wütend sein. Später ist er traurig. Über sich und Gott. Er würde alles so gerne verstehen, das mit der Liebe Gottes und dem Leid, das es gibt. Er hätte gerne ein paar Antworten. Es müssen ja nicht gleich alle sein - aber ein paar hätte er doch gerne. Als er wieder mal bei der Familie ist mit dem Unglück, herrscht dort eine seltsame Ruhe, findet Walter. Er fühlt sich gut aufgehoben. Die kommen ziemlich gut zurecht, merkt er. Beinahe besser als er.

Vielleicht antwortet Gott, wenn man ihn nicht bedrängt...

Die haben auch keine Antworten, sagt der Witwer mit den beiden Kindern. Ich suche nicht nach Sinn, sagt ihm der Witwer. Ich warte nur. Und mache jeden Tag, was nötig ist. Da staunt Walter. Das kennt er nicht: die Fragen einfach mal liegen lassen. Möglichst in Ruhe. Vielleicht spricht Gott ja eher, wenn man ihn nicht bedrängt. Könnte ja sein, denkt Walter. Er will das mal beobachten. Und sich bemühen, weniger wütend zu sein.