hr2 ZUSPRUCH
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Helms, Anne-Katrin

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Erlösergemeinde Frankfurt-Oberrad

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Jesus, der Narr

In meiner Kindheit gab es in meiner Heimatstadt in der fünften Jahreszeit eine klare Trennung: Es gab die Leute, die Fasnacht feierten, sich schminkten und verkleideten, lachten, schunkelten und tanzten. Und es gab die anderen, die den Karneval für Teufelszeug hielten und zur christlichen Zeltmission einluden. Bei diesen Missionsveranstaltungen sollte man sich zu Jesus Christus bekehren.

Fasching und christlicher Glaube, geht das zusammen?

Meine Familie stand dazwischen. Meine Mutter hat uns zwar schöne Kostüme genäht. Wir haben uns verkleidet und das machte Spaß. Aber richtig Fasching gefeiert haben wir nicht. Ich habe lange gedacht: Fasching und christlicher Glaube haben es schwer miteinander.

Das hat sich geändert, als ich eine Pfarrerin aus dem Rheinland kennenlernte. Sie ist eine richtige Karnevalistin und sagt: „Karneval ist himmlisch jeck und durch und durch protestantisch. Wir halten den Oberen den Spiegel vor die Nase und widersprechen. Wir hinterfragen den Zeitgeist und zeigen, dass wir uns nicht alles bieten lassen. Das hat doch Jesus auch so gemacht!“ Und dann behauptete die Pfarrerin aus dem Rheinland auch noch: „Jesus war ein Narr!“

Jesus, der Narr

Das fand ich damals ziemlich provokativ. Jesus in einem Karnevalszug mit den Jecken und den Clowns? Geht gar nicht, habe ich erst gedacht. Aber nach längerem Nachdenken kam ich zu dem Schluss: Eigentlich hat sie Recht! Die Leute haben Jesus ausgelacht: Der vergleicht das große Reich Gottes mit einem kleinen Senfkorn. Er denkt nicht als erstes an sich, sondern an andere. Schön blöd! Seine Weisheit ist so einfach, dass nur die Kinder sie verstehen.

Jesus vergibt Menschen die Schuld, anstatt ihre guten Leistungen aufzurechnen. Er glaubt an die Macht der Liebe. Kitschig! Aber er hält damit allen den Spiegel vor, die nur an ihre eigene Macht glauben. Er geht den Mächtigen so sehr auf die Nerven, dass sie ihn weghaben wollen. Erst versuchen sie, ihn lächerlich zu machen. Sie hängen ihm einen roten Mantel um und setzen ihm eine Dornenkrone auf. Schaut euch den an! Der will ein König sein? Lächerlich!

Sie nageln ihn ans Kreuz. Das hat dieser Narr davon, dass er sich sein Leben lang nicht hat einordnen lassen! Jesus ist ein Narr. Weil er am Kreuz stirbt, denken viele, dass er mit seiner Botschaft gescheitert ist.

Ein Gekreuzigter soll Gottes Sohn sein?

So steht das in der Bibel: Die Botschaft von Jesus am Kreuz ist für viele völliger Unsinn. Ein Gekreuzigter soll Gottes Sohn sein? Im Leben nicht! (vgl. 1. Korinther 1,18)

Jesus macht sich zum Narren. Damit stellt er sich zu denen, die ausgelacht werden. Die ein bisschen schräg sind und Schwäche zeigen, die gehören zur Gesellschaft Jesu. Jesus, der Narr. Wenn ich Jesus so sehe, entdecke ich in ihm Gottes Liebe auch für meine Schwächen.

Wenn ich heute bei Faschingsumzügen einen Narren oder einen Clown auf der Straße sehe, denke ich: Jesus war auch einer.