Das muss sich mehr nach Afrika anhören
„Das muss sich mehr nach Afrika anhören“, kommentiert Thomas Penkazki, der Leiter des Internationalen Gospelchores den Versuch seiner Sänger, „He´s got the whole world – er hat die ganze Welt in seiner Hand“ zu singen. „Am besten tanzt ihr zur Musik“, rät er seinen Sängerinnen und Sänger. Sechzehn sind an diesem Montagabend in die Kasseler Baptistengemeinde gekommen. Beim zweiten Anlauf klappt alles schon viel besser. Eine der afrikanischen Sängerinnen inspiriert ihre Nachbarin aus Rumänien, es mit dem Tanzen zu versuchen. Die zwei Chinesinnen im Sopran schauen zuerst zu, aber dann packt auch sie der Rhythmus. „He´s got the whole world in his hand,“ „Er hält die ganze Welt in seiner Hand“.
Der Internationale Gospelchor macht seinem Namen alle Ehre. Die Sängerinnen und Sänger sind alle in Kassel zu Hause. Einige leben für immer hier. Andere sind beruflich oder zum Studium für ein paar Jahre nach Kassel gezogen. Sie haben ihre Wurzeln in Japan, Eritrea, Mexiko, Rumänien oder China. Der Chor ist auch sonst bunt gemischt. Ein Flüchtling, der die Fahrt über das Mittelmeer überlebt hat, steht neben dem Frührentner, der schon in Kassel geboren wurde. Eine Managerin singt neben der Studentin, die in Kassel Stadtplanung studiert. Die jüngsten sind Mitte zwanzig, die ältesten um die siebzig. Gemeinsam ist allen die Liebe zur Musik, besonders zum Gospel. Kein Wunder: Der Gospelkirchentag im September in Kassel war für viele ein Highlight. Nur wenige der Sängerinnen und Sänger sind chorerprobt oder können sicher vom Blatt singen. Der Dirigent meint: „Das ist bei uns auch nicht nötig, weil wir die Lieder intuitiv erfassen. Es kommt uns auch nicht in erster Linie auf Auftritte an, sondern es geht um die Freude am gemeinsamen Singen.“
Spannend wird es, wenn die chinesischen Teilnehmer den anderen einen amerikanischen Gospel in einer chinesischen Version beibringen. Es wird viel gelacht, wenn alle einen rumänischen Volkstanz einüben. Überhaupt wird fast so viel gelacht wie gesungen. Gospel kommt vom englischen „good spell“, heißt übersetzt: Gute Nachricht und meint das Evangelium von Jesus Christus. Gospel sind ursprünglich die Lieder der afroamerikanischen Sklaven, die im Evangelium Kraft fanden. Die half, dem Alltag mit einem Lächeln zu begegnen oder auch leidenschaftlich Gott zu loben. „He´s got the whole world in is hand“. Alles liegt in Gottes Hand. Jeder im Internationalen Gospelchor Kassel hat das auf eigene Weise erfahren. Der eine Teilnehmer lebt im Kirchenasyl und darf die Kirche nicht verlassen. Er vertraut darauf, dass Gott ihm irgendwann aus seiner misslichen Lage heraushilft. Eine andere Sängerin leidet schrecklich an Heimweh. China, wo sie zu Hause ist, ist viel zu weit weg. Aber im Chor hat sie Freunde, die ihr das Leben etwas leichter machen. Wieder eine andere Sängerin ist froh, einfach nur dabei zu sein, ohne Leistungsdruck und Hektik.
Als die Probe gegen zehn zu Ende geht, wird das Lied vom Anfang noch einmal gesungen. Und nun klappt es, der Rhythmus, die Stimmen die Betonung. Eine vielstimmige Harmonie: „Er hält die ganze Welt in seiner Hand“‘.