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Tönges-Braungart, Michael

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Bad Homburg

Wolf Schmidt

Wolf Schmidt

„Ei Karl!“ Wenn Liesel Christ das rief, war immer er gemeint: Wolf Schmidt. Natürlich nicht er persönlich – sondern in seiner Rolle als Karl Hesselbach oder besser „Babba Hesselbach“ in der Hörspiel- und Fernsehserie der 50er und 60er Jahre. Immer an der Seite von  Liesel Christ als „Mamma Hesselbach.“ Damals hatte die Serie Kultstatus und hat sie für manche bis heute. Wir haben die komplette DVD-Sammlung auch im Schrank und unternehmen mit ihr immer wieder mal eine Reise in die Zeit der eigenen Kindheit, in die 60er Jahre.

Heute vor 100 Jahren wurde Wolf Schmidt in Friedberg geboren. Ein Studium als Jurist gab er bald zugunsten einer Karriere als Journalist, Schauspieler, Kabarettist  und Autor auf. So stammt die Serie „Die Hesselbachs“ auch aus seiner Feder, und zugleich spielte er eine der Hauptrollen. So überzeugend, dass er den „Babba Hesselbach“ zeit seines Lebens nicht mehr los wurde.

Das Spießbürgerliche und Kleinbürgerliche der Nachkriegszeit nahm die Serie aufs Korn; die Begleiterscheinungen des Wirtschaftswunders und des wachsenden Wohlstands; manche Doppelmoral und Heuchelei. Und der Babba Hesselbach war dabei durchaus eine ambivalente Figur: Er sah die Schwächen der anderen sehr genau – und musste dann doch oft erkennen, dass es auch seine eigenen waren. Und dass nicht immer so einfach zu entscheiden war, was richtig und was falsch ist, was gut und was böse. Daran hatte auch Karl Hesselbach zu knabbern. Und er musste auch erleben, dass einer, dem Moral wichtig ist, schnell zum Moralapostel werden kann. Aber so weit kam’s mit Karl Hesselbach zum Glück meistens nicht. Zu seinem Hang zur Ironie anderen gegenüber gehörte auch die Bereitschaft, sich selber aus ironischer Distanz zu betrachten. Vielleicht machte ihn gerade das so sympathisch.

So hielt Wolf Schmidt alias Karl Hesselbach  den Menschen den Spiegel vor. Und wer die Filme heute anschaut, stellt fest, dass sich zwar viele Ansichten und Moralvorstellungen seit damals natürlich geändert haben und manche Probleme der 50er und 60er Jahre heute keine Rolle mehr spielen – aber dass die Menschen sich gar nicht so grundlegend anders verhalten als damals.

Es ist dieser kritische, humorvolle und manchmal durchaus auch ein wenig boshafte Blick auf die Menschen, der mir an Wolf Schmidt als Autor der Hesselbachs gefällt. Weil er zugleich ein  liebevoller Blick ist. Nicht ums Bloßstellen ging’s dabei, aber sehr wohl um Selbsterkenntnis und Veränderung.

Ich glaube, so ähnlich blickt Gott auf uns: kritisch, ehrlich und unbestechlich – und zugleich humorvoll und liebevoll.  „Gott lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“ (Matth 5, 45). So hat’s Jesus mal gesagt. Wie könnten wir da kleinlich sein?