Wirklich zuhören ist eine Kunst
Einem anderen Menschen aufmerksam zuhören ist gut. Denn zuhören ist die Voraussetzung, ihn zu verstehen. Und wie sollte ich einem anderen etwas Gutes sagen oder tun, wenn ich gar nicht verstanden habe was er denkt oder fühlt? In der Seelsorge redet man vom aktiven Zuhören, in dem jemand ganz und gar bei dem Gesprächspartner ist, aufmerksam und einfühlend, sozusagen mit Ohr und Seele. Wer nicht wirklich zuhört, versteht nichts und ist dann in der Gefahr, falsch zu handeln.
Ein Beispiel: Ein neunjähriger Junge sitzt auf dem Schemel und schaut seiner Mutter bei der Küchenarbeit zu. Die sieht ihn sitzen und denkt was sie schon oft gedacht hat: Für sein Alter ist er etwas klein geraten und mickrig. Außerdem ist er so zurückhaltend und schüchtern. Was soll aus ihm werden? Sie gibt ihm Ratschläge. „Junge, iss ordentlich, damit du groß und stark wirst und es im Leben zu etwas bringst.“ Sie macht ihm ein Butterbrot, bei dessen Anblick der Junge schon die Maulsperre bekommt. Sie redet weiter: „Wenn du klein und schwach bleibst, dann lern ordentlich in der Schule, damit du im Kopf was leistest.“ Und dem Jungen fällt die Englischlehrerin ein, die dauernd an ihm herumnörgelt, weil der die Vokabeln nicht kann.
Die Mutter macht weiter mit ihren Ratschlägen:“ Junge, sei höflich und freundlich zu den Erwachsenen, dass sie dich mögen.“ Und der Junge denkt an den Nachbarn, der immer rummeckert und die Kinder vom Spielplatz vertreibt. Die Mutter spürt ihr vergebliches Bemühen, lässt sich auf den Küchenstuhl fallen uns stöhnt: „Was soll ich mit dir denn noch machen?“ Und der Junge antwortet: „Mutter, wenn du mich zart und sanft berührst, wenn du mich anschaust und mir zulächelst, wenn du mir manchmal zuhörst, bevor du redest, werde ich wachsen, wirklich wachsen.“ Ob das ein Neunjähriger so gesagt hat, weiß ich nicht. Es steht so in einem Buch von Therapeutinnen. Die haben es vielleicht selbst erfunden, aber es stimmt.
Aktives Zuhören ist die Voraussetzung dafür, einen anderen zu verstehen und ihm dabei zu helfen, dass er wächst, sich entwickelt, seine Fähigkeiten entdeckt. Das einfühlsame Zuhören gelingt aber nur, wo Vertrauen zwischen Menschen ist.
